Süddeutsche Zeitung

Marsmission:Mit Bohrer ins All

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Von Alexander Stirn

Die Erforschung des Roten Planeten war bislang eine sehr oberflächliche Angelegenheit. Keine der knapp zehn Missionen, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erfolgreich auf dem Mars aufgesetzt haben, ist in dessen Inneres vorgedrungen. Alle haben sich damit begnügt, die obersten Zentimeter der roten Staub- und Gesteinsschicht zu analysieren. Eine neue Sonde, die gerade an der amerikanischen Westküste auf ihren Start vorbereitet wird, soll das ändern. Sie wird nicht nur in den Mars hineinhören, sondern ihn auch metertief anbohren - in der Hoffnung, dem Roten Brocken endlich seine geophysikalischen Geheimnisse zu entlocken.

Insight heißt die sechs Meter lange und gut 700 Kilogramm schwere Landesonde, gebaut von der US-Raumfahrtbehörde Nasa. Klappt alles wie geplant, dann wird das Raumfahrzeug an diesem Samstag von der kalifornischen Luftwaffenbasis Vandenberg ins All aufbrechen und Ende November - nach einer 485 Millionen Kilometer langen Reise - sanft auf dem Mars aufsetzen. Einfach wird das nicht: Etwa die Hälfte aller Landeversuche auf dem Roten Planeten, der wegen seiner tückischen Atmosphäre von Raumfahrern gefürchtet wird, sind bislang gescheitert.

Auch deutsche Forscher blicken daher gespannt nach Kalifornien. Eines der beiden Hauptinstrumente, Insights vollautomatischer Schlagbohrer, "Maulwurf" genannt, ist schließlich am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt worden. Mit etwa 10 000 Schlägen soll sich die Rammsonde, nachdem sie mit einem Greifarm im Marsstaub platziert wurde, aus eigener Kraft bis zu fünf Meter tief in den Boden wühlen - sofern keine Steine oder anderen Hindernisse dazwischenkommen.

"Insight ist eine Ausnahmemission", sagt DLR-Forscher Tilman Spohn, wissenschaftlicher Leiter des Maulwurfs. "Wir können das Risiko zwar reduzieren, aber wir wissen auch, dass wir es nicht komplett eliminieren können." Klappt alles wie erhofft, dann wird die Sonde auf ihrem Weg in die Tiefe ein Band aus Thermalsensoren hinter sich herziehen. Die Messfühler sollen zwei Jahre lang die Temperatur und die Wärmeleitfähigkeit in unterschiedlichen Tiefen bestimmen. Die Forscher hoffen, daraus Rückschlüsse auf den Wärmehaushalt des Planeten ziehen zu können.

Insights zweites Hauptinstrument bleibt an der Oberfläche, wird aber tiefe Einblicke möglich machen: Ein in Frankreich entwickeltes Seismometer, dessen Bau zunächst Probleme bereitet hatte und die knapp 700 Millionen Euro teure Mission um zwei Jahre verzögerte, soll kleinste Erschütterungen registrieren. Mit mehreren Dutzend, vielleicht auch einigen Hundert solcher Marsbeben rechnet Insights wissenschaftlicher Leiter, der Nasa-Geologe Bruce Banerdt, während der zweijährigen Mission.

Die Beben entstehen, wenn Felsen zerbrechen, sich bewegen, oder wenn Meteoriten auf der Oberfläche des Mars einschlagen. Die ausgelösten seismischen Wellen bewegen sich unterschiedlich schnell, je nachdem ob sie Wasser, hartes oder weiches Gestein durchdringen. Stärke, Geschwindigkeit und Frequenz der Wellen soll das französische Seismometer vermessen und ein Bild des Marsinneren rekonstruieren. "Das ist ein bisschen so", sagt Banerdt, "als würde man mit einem Computertomographen einen ganzen Planeten durchleuchten."

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SZ vom 04.05.2018
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