Süddeutsche Zeitung

Mangelnde Hygiene in Krankenhäusern:Tödliche Hände

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Der Skandal an den beiden Münchner Kliniken ist kein Einzelfall: Mangelnde Hygiene kostet jährlich vermutlich 15.000 Patienten das Leben. Dabei ließe sich jede Dritte Infektion vermeiden - mit banalen Mitteln.

Katrin Blawat

Die Tipps sind ziemlich banal: Zum Händewaschen soll man warmes Wasser und Seife benutzen und auch die Haut zwischen den Fingern reinigen. Immer wieder müssen Hygiene-Experten solche Binsenweisheiten den Angestellten in Krankenhäusern in Erinnerung rufen.

Doch allzu oft verhallen die Warnungen im Nichts - mit tödlichen Folgen. Wegen mangelnder Hygiene stecken sich jedes Jahr 600.000 Menschen im Krankenhaus an, bekommen hartnäckige Lungen-, Harnwegs- und Wundinfektionen oder Blutvergiftungen.

Bis zu 15.000 Patienten sterben jährlich an den Folgen des Schlendrians im Hygienebereich, schätzt das Robert- Koch-Institut. Dabei ließe sich vermutlich jede Dritte dieser Infektionen vermeiden, wenn sich Ärzte und Pflegepersonal an die Grundsätze des sauberen Arbeitens hielten.

"Große Fortschritte machen wir dabei nicht", sagt Klaus-Dieter Zastrow, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene. Jüngstes Beispiel ist ein Fall in einem Münchner Klinikum. Dort wurde das Operationsbesteck nicht sorgfältig gereinigt und über Monate hinweg versucht, die Missstände zu vertuschen. Ob Patienten zu Schaden kamen, ist noch unklar. Im Operationssaal passierten allerdings selten Pannen, sagt Zastrow: "Dort achtet man normalerweise sehr auf Sterilität." Anfälliger sei die Versorgung der Patienten, etwa der Verbandswechsel, oder wenn ein Katheter gelegt wird.

Dabei bedürfte es auch in diesem Bereich einfach nur ein wenig mehr Sorgfalt, um die Hygiene zu verbessern. Desinfizieren Ärzte und Pfleger ihre Hände häufig, sorgfältig und unmittelbar vor dem Patientenkontakt, haben sie die wichtigste Quelle für Infektionen bereits ausgeschaltet. Wenn sich ein Patient mit Keimen eines anderen ansteckt, geschieht dies meist über die Hände des Personals. Dennoch unterlässt es einer von vier Ärzten, sich die Hände zu desinfizieren, nachdem er Kontakt zu einem Patienten mit einer infizierten Wunde gehabt hatte. Dies fanden Heidelberger Wissenschaftler in einer Studie heraus. Dagegen griffen vier von zehn Ärzten zum Desinfektionsmittel, nachdem sie einen sterilen Gegenstand angefasst hatten, was überflüssig ist. Das tatsächliche Ansteckungsrisiko spiele wohl keine große Rolle, folgern die Forscher.

Entscheidend ist aber nicht nur, ob, sondern auch wie Ärzte und Pfleger Desinfektionsmittel benutzen. Falsch angewandt, können sie dazu führen, dass Bakterien gegen Antibiotika resistent werden, die noch nie gegen sie eingesetzt wurden. "Zum Problem können Reste falsch verdünnter Desinfektionsmittel auf dem Fußboden werden", sagt der irische Mikrobiologe Gerard Fleming, der diese Gefahr erst kürzlich entdeckt hat.

"Hygiene wird oft als ein lästiges Übel angesehen, das vor allem Zeit kostet", sagt Zastrow. Und weil fast alle Spitäler sparen müssen, verzichten viele auf Experten, die dem Personal fachgerechte Hygiene zeigen. In den meisten Bundesländern jedenfalls leisten sich die Kliniken keinen Berater, nicht einmal Richtlinien. Nur Bremen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland, Berlin und Sachsen haben eine Hygieneverordnung für Krankenhäuser. "Das ist ein schwerer Mangel in den anderen elf Ländern", sagt Zastrow, dies erschwere auch die Aufarbeitung von Unfällen. "Wenn ein Chirurg daneben schneidet, sieht er den Fehler sofort. In der Hygiene sind es aber die kleinen Unachtsamkeiten, die später schwere Folgen haben können." Manchmal sogar tödliche. (Lokales)

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SZ vom 10.07.2010
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