Süddeutsche Zeitung

Paläontologie:Mammut auf der Flucht

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Mit Isotopenanalysen haben Forscher die Wanderungen eines einzelnen Tieres vor 14 000 Jahren in Alaska nachgezeichnet - und festgestellt: Die Menschen waren ihm immer auf der Spur.

Von Christian Weber

Als Elma womöglich ein tödlicher Speer traf, stand sie in der Blüte ihres Lebens. Sie war wohl um die 20 Jahre alt, ein stolzes, gut genährtes Wollmammut-Weibchen, das weit herumgekommen war. Am Ende versorgte sie urzeitliche Jäger mit Proviant für die kommenden Tage - und neuzeitliche Paläoanthropologen mit spannenden Daten, denn ihre Stoßzähne überdauerten die 14 000 Jahre seitdem in einem ordentlichen Zustand. Sie zeugen von einer urzeitlichen Nähe von Mensch und Tier, wie ein Team von Wissenschaftlern um Audrey Rowe und Matthew Wooller von der University of Alaska Fairbanks und Clement Bataille von der University of Ottawa im Fachjournal Science Advances berichten.

Ob das Tier tatsächlich Elma hieß, abgekürzt für Élmayųujey'eh, sei dahingestellt. So haben es die Mitglieder des Healy Lake Village Council getauft, dem 200 Kilometer südöstlich von Fairbanks gelegenen Fundort des Mammutskeletts. Auf Wissenschaft hingegen beruhen die Ergebnisse, die das Team um Rowe jetzt vorgestellt hat. Demnach wanderte Elma in ihrem kurzen Leben rund 1000 Kilometer zwischen Alaska und dem Nordwesten Kanadas hin und her, und sie wurde offenbar stets verfolgt von steinzeitlichen Jägern und Sammlern.

Offensichtlich wanderten die Mammuts über Jahrtausende hinweg auf den gleichen Wegen

Dass damals Menschen anwesend waren, zeigt sich an den Überresten von Lagerfeuern, an Steinwerkzeugen und bearbeiteten Tierknochen. Die Wege von Elma und anderen Mammuts hingegen konnten die Forscher mithilfe der sogenannten Isotopenanalyse verfolgen. Diese Atomarten dienen als chemische Marker, anhand derer sich die Diät, aber auch die Aufenthaltsorte von Tieren und Menschen bestimmen lassen, auch mit Tausenden Jahren Abstand.

Da sich die spezifischen Isotope entsprechend dem Wachstum eines Mammut-Stoßzahns über die Jahre an verschiedenen Stellen des Horns ansammeln, lässt sich sogar grob abschätzen, wann sich die Tiere wo aufgehalten haben. Und offenbar folgten die Menschen den Wegen der Mammuts. "Es scheint so zu sein, dass die Leute ihre Jagdcamps dort errichteten, wo sich auch häufig Mammuts aufhielten", sagt Rowe in einer Mitteilung der University of Alaska.

Weitere Analysen an anderen Mammuts zeigten, dass Elma auf denselben Routen wanderte wie ein männliches Exemplar, das 3000 Jahre zuvor in der Region gelebt hatte. Offensichtlich hatten die Routen der Mammuts über Jahrtausende hinweg Bestand - bis irgendwann in den Zeiten Elmas Menschen auftauchten und zugleich mehr Bäume wuchsen. "Der Klimawandel am Ende der Eiszeit ließ die von den Mammuts bevorzugten offenen Flächen schrumpfen", sagt Co-Autor Ben Potter, Archäologe an der University of Alaska Fairbanks. Im Schutz der wachsenden Wälder konnten sich dann die menschlichen Jäger leichter an die Tiere heranpirschen und erfolgreich jagen. So ist es auch wahrscheinlich, dass Elma einer steinzeitlichen Waffe erlegen ist, zumal sie in einem Jagdcamp gefunden wurde. Wobei man das - so wie oft in der Paläontologie - mit absoluter Sicherheit nicht sagen kann.

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