Süddeutsche Zeitung

Mikroplastik:Müll im Magen

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Von Katrin Blawat

Der Weg alter Zahnbürsten und Essensverpackungen kann verschlungen sein, und manchmal landen Reste dieser Gegenstände auf einem Obduktionstisch. Sarah Nelms von der University of Exeter und ihre Kollegen jedenfalls stießen auf zahlreiche zerkleinerte Überbleibsel solcher Kunststoffprodukte, als sie insgesamt 50 Meeressäuger zehn verschiedener Spezies untersuchten. Die Tiere waren an der britischen Küste gestrandet und die Forscher wollten wissen, wie viel Mikroplastik - also Partikel mit einem Durchmesser von weniger als fünf Millimetern - sich im Magen-Darm-Trakt der Meeressäuger befand. Bislang gebe es dazu nur wenige Daten, schreiben die Forscher im Fachmagazin Scientific Reports.

In jedem der untersuchten Delfine, Wale und Robben fand sich mindestens ein Mikroplastik-Teilchen, im Durchschnitt waren es 5,5 pro Tier. Damit fällt die Anzahl kleiner Plastikteilchen pro Tier überraschend niedrig aus, wenn man bedenkt, dass Delfine und Robben vermutlich mit vielen ihrer Beutefische Mikroplastik aufnehmen. Es sei gut möglich, so schreiben die Autoren, dass die Säuger einen Teil der Partikel wieder ausscheiden.

Überwiegend fanden die Forscher Reste synthetischer Fasern, vor allem Nylon, die wohl aus Kleidung und Fischernetzen stammten. Außerdem fanden sich viele kleine Stückchen von Plastikflaschen, Zahnbürsten und Verpackungen von Nahrungsmitteln. Daran, kleinste Kunststoffteilchen in Meerestieren zu entdecken, haben sich Forscher mittlerweile gewöhnt. "In den vergangenen Jahren haben wir Mikroplastik in fast allen marinen Spezies gefunden, vom winzigen Zooplankton über Fische, Schildkröten und nun in Delfinen, Walen und Robben", sagt Co-Autorin Penelope Lindeque vom Plymouth Marine Laboratory.

Dennoch sind die nun untersuchten, räuberisch lebenden Meeressäuger ein Sonderfall. Diese Tiere stehen ganz oben im Nahrungsnetz. Das Mikroplastik nehmen sie daher wohl vor allem indirekt über ihre Beute auf, in deren Mägen es ebenfalls zum Teil indirekt gelangt sein könnte. Außerdem leben Wale und Robben recht lange, sodass eventuelle schädliche Wirkungen über die Jahre womöglich schlimmer werden. Zudem könnten die Plastikpartikel mit Viren und Bakterien verseucht sein und die Meeressäuger infizieren.

Was also bedeuten die Funde? "Wir wissen noch nicht, welche Auswirkungen das Mikroplastik oder darin enthaltene Chemikalien auf Meeressäuger haben", sagt Erstautorin Nelms. Zwar fanden sie und ihre Kollegen in Tieren, die an einer Infektion gestorben waren, etwas höhere Konzentrationen. Wie aussagekräftig dieser Zusammenhang ist, lasse sich aber noch nicht sagen. Zusätzlich zum Mikroplastik entdeckten die Biologen nur in einem einzigen Tier ein größeres Kunststoffteil: ein Fischernetz. Dagegen hatte es in jüngster Zeit wiederholt Berichte von Walen gegeben, deren Bauch voller Makroplastik war. Der Magen eines verendeten Pottwals vor Indonesien zum Beispiel enthielt knapp sechs Kilo Kunststoffmüll, darunter 115 Trinkbecher, 25 Tüten, vier Flaschen und ein Paar Flip Flops.

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Quelle:
SZ vom 05.02.2019
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