Süddeutsche Zeitung

Geothermie:Strom aus Stein

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Geothermie könnte bis 2050 zehnmal so viel Elektrizität liefern wie bislang, berichtet die Internationale Energieagentur. Sie empfiehlt dazu eine noch wenig etablierte Form der Energiegewinnung.

Esther Göbel

Der Anteil des weltweit durch Erdwärme erzeugten Stroms lässt sich bis 2050 auf das Zehnfache heutiger Werte steigern. Geothermie könnte dann 3,5 Prozent der benötigten Elektrizität liefern, schreibt die Internationale Energieagentur in einem Bericht, den sie jetzt auf einer Konferenz in Stockholm vorgestellt hat. Das entspricht einer Leistung von 1400 Milliarden Kilowattstunden oder dem 2,6fachen des deutschen Jahresverbrauchs.

In dem Report raten die Autoren zu verschiedene Maßnahmen, die für die Steigerung nötig sind. Als Kernelement nennen sie die Anwendung einer bislang noch wenig etablierten Form der Energiegewinnung, der sogenannten enhanced geothermal systems (EGS).

Das Verfahren zielt darauf, die Wärmeenergie aus unterirdischen Gesteinsschichten beispielsweise mit Hilfe von Wasser nutzbar zu machen - und zwar auch in den Gegenden, wo sich keine heißen Wasseradern anzapfen lassen. Dazu wird die Flüssigkeit von oben durch ein Bohrloch zunächst in mehr als 1,5 Kilometer Tiefe gepumpt.

Das Wasser bricht sich dort Kanäle in die umliegenden, heißen Gesteinsschichten. Wenn es dann durch das Gestein fließt, nimmt es die Hitze auf, bevor es über weitere Bohrlöcher wieder nach oben gepumpt wird. An der Erdoberfläche verwandelt ein Kraftwerk die Wärmeenergie zu Strom.

Überall auf der Welt wird an diesem auch Hot-Dry-Rock (HDR) genannten Verfahren geforscht. Allein in der Europäischen Union befinden sich 20 Projekte in der Planung, auch China und Indien interessieren sich dafür. Das weltweit größte Kraftwerk wird derzeit in Australien entwickelt.

Die neuartige Methode unterscheidet sich von den bisher meist verwendeten Verfahren. Bislang wird geothermale Energie vorwiegend durch heißen Wasserdampf gewonnen. In Deutschland gibt darüber hinaus eine Handvoll Erdwärmekraftwerke, die mittels tief unter der Erde gefundenem, heißem Thermalwasser Strom erzeugen, beispielsweise das Kraftwerk in Landau. Es pumpt Wasser aus mehr als 3000 Meter Tiefe, produziert drei bis vier Megawatt Strom und versorgt 6000 Haushalte.

Unumstritten ist die Geothermie, die in Deutschland bis zu fünf Prozent des Energiebedarfs decken könnte, allerdings nicht. In Basel kam es im Dezember 2006 zu einem Erdbeben der Stärke 3,4. Das Epizentrum lag am Bohrloch eines Basler Erdwärmeprojekts, das nach dem HDR-Verfahren arbeitete.

Der hohe Druck, mit dem das Wasser nach unten gepresst wird, führte zu den seismischen Aktivitäten. Aber auch das Thermal-Kraftwerk Landau stand schon in der Kritik: Es soll für ein Beben der Stärke 2,7 verantwortlich sein, das sich im Sommer 2009 in der Region ereignete. Wochen später hatte es außerdem mehrere kleinere Nachbeben gegeben.

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Quelle:
SZ vom 16.06.2011
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