Süddeutsche Zeitung

Gentechnik:Ökolobby dringt in den Schulunterricht vor

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Von Kathrin Zinkant

Wer seine Kinder in die Schule schickt, wünscht sich wohl, dass der Nachwuchs mit einer soliden Wissensgrundlage für eine Orientierung im Beruf und im Leben daraus hervorgeht. Was genau aber im Unterricht vermittelt wird, auf welcher faktischen Basis Schüler gebildet werden, und wie neutral diese Lehre sein kann - das ist heute mehr als fraglich. Das zeigt unter anderem der Fall eines Internetportals, welches unter dem unauffälligen Titel "Schule und Gentechnik" tendenziöse Inhalte als Stoff für den Unterricht anbietet.

Der gentechnikkritische Informationsdienst Gentechnik bietet Lehrern und Schülern der Sekundarstufe bereits seit 2010 Lehrmaterialien und Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung an. Dazu gehören Artikel, Grafiken, Planspiele und Filme, in denen vorgeblich wissenschaftlich fundiert über den Einsatz und die Risiken von Gentechnik in der Landwirtschaft informiert wird. Geld erhält das Portal von vier Stiftungen, die ihrerseits dezidiert gentechnikkritisch sind und ihre Haltung offenkundig in den Schulunterricht eingebracht sehen wollen. Autoren des Portals stammen aus Umfeldern, in denen gentechnisch veränderte Pflanzen als untragbares Risiko betrachtet werden.

Dazu gehört der Münchener Lobbyverein Testbiotech. Für Lehrer und Schüler ist dabei nicht auf den ersten Blick erkennbar, dass es sich bei den Verfassern der Materialien und Informationen um vehemente Gegner einer sogenannten "Agro-Gentechnik" handelt. Das Emblem des Initiators ist auf der Website nur klein abgebildet, ein Link "keine-gentechnik.de" zum Webauftritt der Organisation leicht zu übersehen. Im Themenbereich des Portals finden sich jedoch Beiträge, die für Laien in überzeugender Weise die Positionen der Ökolobby darstellen. So berichtet das Portal über den sogenannten Fall Séralini als Hetzjagd auf einen "unabhängigen" Wissenschaftler. Gilles-Eric Séralini hatte 2012 eine Studie veröffentlich, die eine krebserregende Wirkung von gentechnisch verändertem Mais und dem Glyphosat-haltigen Herbizid Roundup belegen sollte. Aufgrund erheblicher Mängel war die Studie dazu jedoch schlicht nicht in der Lage - was von zahlreichen Wissenschaftlern damals kritisiert wurde und konsequenterweise zum Rückzug der Arbeit führte.

Die Séralini-Studie wird benutzt, um eine angebliche Hatz auf Gentechnikkritiker zu belegen

Von Gentechnikgegnern wird die Studie jedoch weiter als Beispiel genutzt, um nicht nur vorgebliche Risiken durch Gentechnik zu untermauern, sondern gleichfalls, um eine Hatz auf gentechnikkritische Wissenschaftler zu belegen. So geschieht es auch auf dem Unterrichtsportal von "Schule und Gentechnik". Der wissenschaftlichen Kritik an der Séralini-Studie wird begegnet, "fehlende Schlüssigkeit" sei kein Grund, eine Studie zurückzuziehen. Der Rückzug der Studie wird zudem in einen - nicht belegbaren - Zusammenhang mit dem Konzern Monsanto gebracht. Dass Séralinis Versuche mangelhaft waren, wertet die Autorin des Textes als Behauptung. Woran man gut oder schlecht gemachte Studien auch als Schüler oder Lehrer erkennen kann, erklärt sie nicht. Hinzu kommt, dass fast alle Informationen des Portals sich auf die alte, zumeist transgene Gentechnik beziehen. Auf das moderne Gene Editing, das im Ergebnis normaler Züchtung gleichkommen kann, wird nicht näher eingegangen.

Ob solche "Unterrichtsmaterialien" noch der Lehre dienen, oder der Meinungsmache, ist daher eine Frage, der sich auch das Bundesministerium für Bildung stellen sollte. Auf Anfrage der SZ jedoch hieß es aus dem BMBF, dass es zu dem Thema keine Kommentierung gebe. Gentechnikgegner sind dabei nicht die einzigen Interessenvertreter, die durch Unterrichtsmaterialien versuchen wollen, das Weltbild von Lehrern und Schülern zu formen. Auch andere, industrie- oder wissenschaftsnahe Verbände bieten Material für den Unterricht an.

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Quelle:
SZ vom 13.03.2019
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