Süddeutsche Zeitung

Genetik:Das Südsee-Erbgut

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In Samoa sind die Menschen dicker als anderswo auf der Welt. Schuld könnte eine Erbanlage sein, die das Wachstum von Fettzellen fördert. Und den Samoanern einst als Sparsamkeitsgen das Überleben ermöglichte.

Von Kathrin Zinkant

Wissenschaftler aus Polynesien und den USA haben offenbar eine Erbanlage gefunden, die den Bewohnern des Inselstaats Samoa eine Extraportion Körperfett beschert. Wie das Team um den Epidemiologen Stephen McGarvey in Nature Genetics beschreibt, trägt mehr als jeder vierte Samoaner die exklusive Variante eines Stoffwechsel-Gens in sich, die in westlichen Ländern fast gar nicht vorkommt. Die Forscher glauben, dass es sich um ein sogenanntes Sparsamkeitsgen handelt.

Sparsame Gene erleichterten den Polynesiern einst das Überleben. Heute machen sie fettleibig

Nach solchen Genen wird schon lange gesucht. Sie könnten erklären, warum die Bevölkerungen in Poly- und Mikronesien generell sehr dick sind. So dick, dass sie die weltweiten Body-Mass-Indexlisten anführen. Der Body Mass Index, berechnet aus Körpergewicht und Körperfläche, sollte zwischen 18 und 25 liegen. Von 25 an beginnt das Übergewicht. Menschen mit einem BMI von mehr als 30 leiden unter Adipositas. Während die Deutschen mit einem mittleren Wert von 26,3 noch an der Grenze zum kollektiven Übergewicht liegen, liegt der BMI im mikronesischen Nauru bei durchschnittlich 32,5 - und in Samoa bei 31,7.

Fettleibig zu sein ist in den pazifischen Inselstaaten recht normal. Handelt es sich um ein Kulturphänomen, bei dem die Körperfülle Wohlstand repräsentiert oder dem Schönheitsideal entspricht? Sogenannte thrifty genes, Sparsamkeitsgene, bieten wohl eine plausiblere Erklärung. Sie könnten während der Besiedelung der Inseln vor 3000 Jahren den Gründern der Gemeinschaften Überlebensvorteile geboten haben, etwa weil sie es dem Körper ermöglichen, fast ohne Kohlehydrate auszukommen. Bis der westliche Überfluss die Inseln erreichte und sich der Vorteil zum Fluch verkehrte. Man vermutete zunächst, dass die sparsamen Erbanlagen den Zuckerstoffwechsel betreffen und die Empfindlichkeit für kohlenhydratreiche Speisen erhöhen. Inzwischen weiß man, dass auch Gene für die Produktion von Fett und Fettzellen dazu gehören. Ein solches Gen will McGarveys Team jetzt entdeckt haben.

"Das entdeckte Gen kommt dem ziemlich nahe, was wir heute unter einem thrifty gene verstehen", sagt Adipositas-Spezialist Michael Stumvoll von der Universität Leipzig. Der Zusammenhang sei viel stärker, als man es von anderen Kandidaten dieses Gentyps kenne. Stumvoll warnt aber davor, dem Gen nun vorschnell eine prägende Bedeutung im pazifischen Raum anzudichten. "Dazu müsste es auf benachbarten Inseln wie Tonga, Fidschi oder auch Tuvalu bestätigt werden." Er hält es für möglich, dass sich auf den Inseln verschiedene Sparsamkeitsgene durchgesetzt haben. Denkbar sei zudem, dass es auch in westlichen Bevölkerungen thrifty genes gibt. "Die bekannten Risikogene für Diabetes und Übergewicht könnten solche Gene sein", sagt der Mediziner. "Die Durchmischung vieler Völker hat aber dazu geführt, dass sich einzelne Sparsamkeits-Erbanlagen bei uns nicht so stark auswirken wie in einer Population, die auf wenige Gründer zurückgeht."

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SZ vom 26.07.2016
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