Süddeutsche Zeitung

Biologie:Putzkolonne im Meer

Lesezeit: 2 min

Garnelen teilen ihre Beute gerne mit anderen Putzerfischen. Das gemeinsame Mahl bringt offenbar Vorteile für alle - solange sie sich an die Regeln halten.

Von Katrin Blawat

Ja, auch eine Garnele ist nicht davor gefeit, sich zu viel vorzunehmen. Zum Beispiel, wenn sie sich eines "Kunden" angenommen hat: eines Fisches, dem sie Parasiten von der Haut knabbern will. Diese Putz-Symbiose bringt beiden Beteiligten Vorteile. Die Garnele bekämpft ihren Hunger durch die Knabberei, den gesäuberten Fisch plagen weniger Parasiten.

Doch handelt es sich um einen besonders großen Klienten, ist die Aufgabe womöglich zu groß für die Garnele. Jedenfalls hat sie dann nichts dagegen, wenn sich auch Putzertiere einer anderen Art am selben Fisch zu schaffen machen - die Parasiten reichen für beide. Solche ungewöhnlich wirkenden Putzgemeinschaften stellen zumindest in den Korallenriffen vor Honduras alles andere als eine Seltenheit dar, schreiben Biologen um Amelia Rose von der University of Oxford im Fachmagazin Biology Letters. Bisher sei nichts darüber bekannt gewesen, wie häufig sich verschiedene Spezies zusammentun, um simultan einen Kunden zu bearbeiten. Um hierauf erstmals eine quantitative Antwort liefern zu können, werteten die Wissenschaftler knapp 700 Stunden Videomaterial aus, das 1722 Interaktionen zwischen Putzer und Kunden an 145 verschiedenen "Putzstationen" zeigte.

Aggressionen zwischen den Putzer-Spezies konnten die Forscher nicht beobachten

In allen Fällen waren zunächst die Garnelen als Putzer tätig. Ob dann auch Grundeln, also kleine Fische, in den Service am selben Tier einstiegen, richtete sich maßgeblich nach der Größe des Klienten. War dieser länger als 20 Zentimeter, knabberten in 45 Prozent der Fälle sowohl eine Garnele als auch ein Fisch an ihm. Bei kleineren Kunden dagegen geschah dies nur in acht Prozent der Fälle. Das wirft die - noch unbeantwortete Frage auf - wie die Grundeln die Körpergröße des Kunden beurteilen können.

Garnelen und Grundeln arbeiteten stets einträchtig nebeneinander. Aggressionen zwischen beiden Putzer-Spezies hätten sie keine beobachtet, schreiben die Autoren. Möglicherweise konzentrieren sich die beiden Arten auf verschiedene Parasiten, so dass für beide Putzer genug abfällt. Der Klient wiederum profitiert möglicherweise von der simultanen Aktion, weil er noch gründlicher von Hautparasiten befreit wird. Allerdings muss er dafür auch mehr Zeit mitbringen. Denn waren zwei Putzer zugleich am Werk, dauerte der Vorgang etwa doppelt so lange, als wenn ausschließlich Garnelen am Kunden knabberten. Warum das Simultan-Putzen länger dauert, ist noch unklar.

Das Zusammenspiel zwischen Putzer und Kunde gilt in der Biologie als Paradebeispiele einer für alle vorteilhaften Symbiose. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass keiner der Beteiligten schummelt oder seinen Part vernachlässigt. Wie die Kunden-Fische möglicherweise erkennen können, ob ein Putzer für seinen Job auch wirklich geeignet ist, hat eine Gruppe um Sandra Trigo von der Universität Porto untersucht ( Behavioural Processes). Ihre Studie widmete sich dem Blaustreifen-Putzerlippfisch. Dessen normalerweise leuchtend blaue Körperfärbung verblasste, wenn die Forscher die Fische in Experimenten physiologischem Stress aussetzten. Zugleich sank dann auch die Putz-Leistung der Tiere. Möglicherweise, so spekulieren die Forscher, erkennen Kunden an der Intensität der Blaufärbung eines Putzerlippfisches, ob dieser fit genug ist für die Hautreinigung. Erscheint der Putzer zu blass, sucht sich der Klient vielleicht lieber einen anderen Partner, bei dem sich das Stillhalten eher lohnt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5156687
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.