Süddeutsche Zeitung

Erwärmung der Erde:Spur der Tigermücke

Lesezeit: 2 min

Mehr Infektionskrankheiten, Allergien und Herzleiden: Der Klimawandel bedroht die Gesundheit des Menschen. Einige Tiere profitieren jedoch von den hohen Temperaturen.

W. Bartens

Eigentlich ist der menschliche Körper darauf eingestellt, Temperaturen von 30 Grad zu genießen. Der Stoffwechsel läuft rund, Muskeln und Gelenke sind geschmeidig und der Organismus muss wenig Energie aufbringen, um die Betriebstemperatur zu halten. Eigentlich. Doch die 30 Grad, die Physiologen häufig als optimale Umgebungstemperatur angeben, beziehen sich auf den Ruhezustand.

Um in einer schattigen Ecke im Liegestuhl am Pool zu liegen, ein kühles Getränk griffbereit, dürfte es kaum kälter sein. Diese medizinisch empfehlenswerte Lage ist jedoch nur wenigen Menschen vergönnt. Deswegen macht den meisten die Hitze zu schaffen. Und in Zukunft werden die Beschwerden noch schlimmer werden. Der Klimawandel führt zu höheren Temperaturen - und zu mehr Leiden.

Während großer Hitze sterben - ebenso wie bei extremer Kälte - viele Menschen an Herzversagen und Atemwegserkrankungen. Dies gilt nicht nur in gemäßigten Breiten, sondern auch für subtropische Regionen, etwa Brasilien. Bei Hitze wird der Kreislauf stärker belastet, das Herz muss mehr pumpen.

Ältere Menschen sind besonders gefährdet

Trinken die Menschen bei hohen Temperaturen zu wenig, wird das Blut zähflüssiger und Adern verstopfen leichter. An Herz und Hirn drohen Infarkt und Schlaganfall. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, weil ihr Durstgefühl geringer ausgeprägt ist. Aufgrund der Hitzewelle des Jahres 2003 sind in Europa schätzungsweise zwischen 25.000 und 45.000 Menschen ums Leben gekommen.

Während die Menschen leiden, profitieren andere Lebewesen von erhöhten Temperaturen. Stechmücken, Fliegen und andere Überträger von Krankheiten vergrößern ihr Verbreitungsgebiet, sodass es Infektionskrankheiten wie Malaria und andere tropische Leiden häufiger und auch in Regionen geben wird, die bisher aus klimatischen Gründen davon verschont blieben.

Besonders rasant verlief die Verbreitung der Asiatischen Tigermücke. Das Insekt, das Dengue-Fieber und andere Leiden übertragen kann, stammt ursprünglich aus Südostasien. Im Brackwasser auf Schiffen ist es um 1990 nach Italien eingeschleppt worden. Nach und nach hat sich die Mücke immer weiter Richtung Norden ausgebreitet. Im Jahr 2007 war dann die Alpenüberquerung gelungen, und Eier des Insekts wurden in der Nähe des badischen Ortes Rastatt entdeckt.

Pollen werden aggressiver

Ungemach droht den mehr als zwölf Millionen Allergikern in Deutschland. "Es gibt mehr Pollen, es gibt neue Pollen und die Pollen werden aggressiver", sagt Allergieexpertin Heidrun Behrendt von der Technischen Universität München. Durch den Klimawandel hat sich die Blühsaison in Europa in den vergangenen Jahren um zehn bis 14 Tage verlängert.

Die weltweite Erderwärmung trägt dazu bei, dass pflanzliche Allergene sich massiv ausbreiten. Ambrosia, das beifußblättrige Traubenkraut, hat eine ähnliche Expansion hinter sich wie die Tigermücke. In den USA ist das Traubenkraut der stärkste und häufigste pflanzliche Auslöser für Heuschnupfen und Asthma. In Europa zuvor kaum bekannt, hat das Kraut über Frankreich und die Po-Ebene Deutschland erreicht. Es führt nun auch auf dem alten Kontinent zu Niesattacken und Atemnot.

Bis zu 150.000 Todesfälle könnten nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich weltweit auf die Erderwärmung zurückgehen. Das liegt auch daran, dass Lebensmittelvergiftungenund Durchfallerkrankungen zunehmen, wenn die Temperaturen steigen -und dass mehr Nahrungsmittel verderben und noch weniger Menschen Zugang zu sauberem Wasser haben werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.171117
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.08.2009/cf
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.