Süddeutsche Zeitung

Insekten:Der Kampfschrei der Bienen

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Hornissen sind die gefährlichsten Feinde mancher Honigbienen. Biologen haben nun einen Alarmruf entdeckt, mit dem sich die Tiere gegenseitig warnen.

Von Anja Garms (dpa)

Mit lauten Alarmrufen machen Honigbienen ihre Artgenossen im Bienenstock auf einen drohenden Angriff von Riesenhornissen aufmerksam. Die Warnrufe ähnelten den Angstschreien oder dem Kreischen von Primaten und Vögeln, mit denen diese auf das Auftauchen von Feinden reagierten, schreiben die Forschenden im Fachmagazin Royal Society Open Science. Das Signal zeige Wirkung: Mit Erklingen des Warnrufs sammelten sich die Arbeiterinnen und bereiteten vermutlich ihre Verteidigung vor.

Riesenhornissen zählen zu den ärgsten Feinden der Östlichen Honigbiene (Apis cerana). In der Regel greifen mehrere der um ein Vielfaches größeren Hornissen ein Bienenvolk an, nachdem ein einzelner Späher einen geeigneten Stock ausgemacht hat. Bei einem erfolgreichen Angriff töten die Hornissen die zur Verteidigung versammelten Arbeiterinnen, besetzen das Nest und verfüttern die nun schutzlose Brut an die eigenen Nachkommen.

Um die Reaktion der Bienen auf drohende Gefahr genauer zu untersuchen, belauschte das Team um Heather Mattila vom Wellesley College (USA) Kolonien verschiedener Imker in Vietnam. Die Forschenden hängten dazu Mikrofone zwischen die einzelnen Rahmen der Bienenstöcke und zeichneten die Geräusche auf, und zwar vor, während und nachdem sich eine oder mehrere asiatische Riesenhornissen (Vespa soror) den Stöcken genähert hatten.

Nähert sich ein Feind, bricht eine Kakophonie im Stock aus, der Geräuschpegel schwillt an

Wie die Aufnahmen zeigten, ist schon im Normalfall akustisch im Bienenstock jede Menge los. Die Insekten produzieren permanent Geräusche. Unter dem Gesumme und Gebrumme sticht etwa ein besonderer zischender Laut hervor, dessen Funktion noch nicht abschließend geklärt ist. Bekannt ist auch ein akustisches Stopp-Signal, das Artgenossen zur Unterbrechung ihrer Aufgaben, etwa dem Schwänzeltanz, bringt. Dieser Tanz weist Artgenossen den Weg zu einer Futterquelle.

Sobald sich eine Hornisse dem Bienenstock näherte, stieg der Geräuschpegel auf das Achtfache an, eine regelrechte Kakophonie brach los, wie die Forscher berichten. Sie identifizierten in dem Lärm ein sirrendes Lautsignal, das die Bienen vermutlich speziell als Warnung vor dem drohenden Angriff ausstießen. "Dieser Laut hat viele Gemeinsamkeiten mit zahlreichen bekannten Alarmsignalen von Säugetieren, die sofort signalisieren, dass eine Gefahr droht", sagte Mattila.

Während die Bienen ihre Artgenossen akustisch warnten, sirrten sie mit den Flügeln und hoben ihren Unterleib samt der dort sitzenden Nasonov-Drüse an. Diese Drüse produziert Duftstoffe, die ebenfalls der Kommunikation der Bienen untereinander dienen. Vermutlich warnten die Tiere sich also auf unterschiedliche Weise vor der Gefahr, schreiben die Forscher.

Wie die Honigbienen den Warnlaut bilden und wahrnehmen, sei bisher offen. Bienen besitzen keine Ohren; sie spüren Geräusche eher, als dass sie sie hören. In ihren Antennen besitzen sie dazu ein Sinnesorgane, das Druckänderungen und Schall registrieren kann, das sogenannte Johnston-Organ. An den Beinen haben sie zudem ein Organ, mit dem sie Vibrationen des Untergrundes wahrnehmen können. Die Lautkommunikation von Bienen wird deshalb als "vibroakustisch" bezeichnet.

Die ausgestoßenen Warnlaute schienen der Studie zufolge Wirkung zu zeigen: Die Forscher beobachteten, dass sich die Arbeiterinnen vor dem Eingang des Stocks versammelten, womöglich um Abwehrmaßnahmen einzuleiten. Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass die Asiatischen Honigbienen zur Abwehr von Hornissen am Eingang stinkenden Mist anderer Tiere platzieren - ein Verhalten, das als erster dokumentierter Werkzeuggebrauch bei Bienen interpretiert wird. Zudem zingeln die Bienen angreifende Hornissen in einer sogenannten Hitzekugel ein und ersticken sie darin.

Weitere Untersuchungen müssten die Beobachtungen und die Schlussfolgerungen erhärten, schreiben die Forscher. "Diese Forschung zeigt, wie erstaunlich komplex die von Asiatischen Bienen produzierten Signale sein können", sagte Gard Otis, einer der beteiligten Forscher. "Wir haben das Gefühl, dass wir auf dem Weg zum Verständnis ihrer Kommunikation nur an der Oberfläche gekratzt haben. Es gibt noch eine Menge zu lernen."

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