Süddeutsche Zeitung

Astrophysik:Die nächste neue Welt

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So nah wurde noch nie ein erdähnlicher Planet entdeckt: Um unseren Nachbarstern kreist ein Himmelskörper, der Leben zulassen könnte.

Von Hanno Charisius

In einer Entfernung von 4,24 Lichtjahren oder gut 40 Billionen Kilometern haben Astrophysiker einen erdähnlichen Planeten entdeckt - zu weit weg, um ihn als Mensch zu bereisen, aber nahe genug, um Wissenschaftler in Verzückung zu versetzen. Es ist der bislang erdnächste Planet außerhalb des Sonnensystems, der vermutlich Leben ermöglichen könnte.

Bereits vor drei Jahren hatte der Astronom Guillem Anglada-Escudé erste Hinweise auf einen Planeten entdeckt, der den nächsten Nachbarstern der Erde umkreist, Proxima Centauri. Fündig wurden er und seine Kollegen in Messdaten eines Spiegelteleskops der Europäischen Südsternwarte in Chile. Bis zur Veröffentlichung des Fundes in der aktuellen Ausgabe von Nature mühten sich die Wissenschaftler zu überprüfen, ob das gemessene Flackern nicht auch eine andere Ursache haben könnte. Das schließen sie nun mit fast 100-prozentiger Sicherheit aus.

Viel wissen die Forscher noch nicht über den Proxima-Trabanten, den sie schlicht "Proxima b" getauft haben. Die Existenz von Wasser halten sie für möglich, eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Leben.

Der Planet umrundet seinen Fixstern einmal in elf Tagen, in einer Entfernung, die Leben ebenfalls möglich machen könnte. Wirklich hell wird es wohl nie auf der fremden Welt, denn Proxima Centauri ist ein "roter Zwergstern", der wesentlich leichter und dunkler ist als die irdische Sonne. Unklar ist, ob der Planet um seine eigene Achse rotiert. Wenn nicht, wäre es auf der von Proxima Centauri beschienen Seite sehr heiß und auf der ewigen Nachtseite extrem kalt. Proxima b scheint außerdem von seiner Sonne mit hochenergetischen Teilchen und Röntgenstrahlen bombardiert zu werden. "Es ist unklar, wie Leben unter solchen ungünstigen Bedingungen entstehen kann", heißt es in einer Mitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg, das einige Forscher zur Planetenjagd abgestellt hat. Offen ist auch, ob der Planet eine Atmosphäre oder ein Magnetfeld hat. Beides könnte seine Oberfläche vor Strahlen schützen.

Etwa drei Viertel aller Sterne sind rote Zwerge, die so lichtschwach sind, dass man sie auf der Erde nicht mit bloßem Auge sehen kann. Diese Sternenklasse ist sehr langlebig, und auch Proxima b ist älter als die Erde. Es wäre also genug Zeit für die Entstehung von Leben gewesen.

Dass es in der Umlaufbahn roter Zwerge erdähnliche Planeten gibt, sei keine Überraschung, sagt Ansgar Reiners vom Institut für Astrophysik der Universität Göttingen, der an der Entdeckung beteiligt war. Für ihn macht die Nähe zur Erde den Fund so besonders. Bislang gibt es noch kein direktes Abbild des Planeten, doch könnte es innerhalb von zehn Jahren Teleskope geben, die Bilder liefern. Zudem sei es nun zumindest vorstellbar, eine winzige Kamera ins Nachbarsternensystem zu schicken, die Fotos der fremden Welt zur Erde sendet.

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Quelle:
SZ vom 25.08.2016
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