Süddeutsche Zeitung

Ökologie:Der Preis des Artensterbens

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Den Schutz der Artenvielfalt nicht ernst zu nehmen, ist gefährlich und wird teuer. Einigen Staaten droht der Bankrott.

Kommentar von Tina Baier

Die Erde ist nicht unendlich belastbar, ihre Ressourcen nicht unerschöpflich. Das sollte sich eigentlich herumgesprochen haben. Rational ist es nicht mehr zu erklären, dass die negativen Folgen etwa des Artensterbens und des Verlusts fruchtbarer Böden konsequent ignoriert werden.

Allein die wirtschaftlichen Folgen werden dramatisch sein, wenn sich nichts ändert und die Erde und ihre Ressourcen weiter so schonungslos ausgebeutet werden wie bisher. Ökonomen unter anderem der Cambridge University warnen in einem aktuellen Bericht, dass in diesem Fall die Kreditratings ganzer Staaten einbrechen könnten. Vielen Entwicklungs- und Schwellenländern drohe gar der Staatsbankrott.

Leider scheint es in der Natur des Menschen zu liegen, dass er Gefahren, die in der Zukunft liegen, nicht ernst nimmt. Dabei gibt es bereits schrille Warnsignale. Beispiel Fischerei: Die Bestände vieler Speisefische sind vielerorts bereits stark zurückgegangen. Trotzdem wird munter weitergefischt, oft sogar in Schutzgebieten. Unverständlich angesichts der Tatsache, dass die Zusammenhänge in diesem Fall leicht zu verstehen sind: Wenn man mehr aus dem Meer herausholt als nachwächst, ist irgendwann nichts mehr da.

Manchen Ländern droht der Staatsbankrott

Beispiel Insektensterben: Obwohl schon Grundschüler lernen, dass Insekten wichtig für die Bestäubung vieler Pflanzen sind, versprühen Landwirte auf ihren Feldern weiter großzügig Insektizide, die wie der Name schon sagt, Insekten töten. In Zeiten des Artensterbens noch zu glauben, Ökosystemleistungen wie die Bestäubung stünden dem Menschen unbegrenzt und kostenlos zur Verfügung, ist ignorant und wird teuer.

Die Kosten auch nur eines Teilzusammenbruchs solcher Ökosystemleistungen sind dem aktuellen Bericht zufolge enorm. In vielen Ländern würden sie die Kosten der Corona-Pandemie weit überschreiten. Am schlimmsten würde es den Ökonomen zufolge China und Malaysia treffen. Die Kreditwürdigkeit beider Länder würde um mehr als sechs Punkte heruntergestuft. In Indien, Bangladesch und Indonesien wären es vier Punkte.

Dass solche Risiken überhaupt in Kauf genommen werden, ist unbegreiflich. Dass sie bei wirtschaftlichen Entscheidungen etwa von Investoren meist überhaupt keine Rolle spielen, ist genauso unfassbar. Es stimmt schon: Umwelt- und Artenschutz sind teuer. Die Biodiversitätskrise ernsthaft zu bekämpfen, würde in vielen Bereichen die Gewinne zunächst deutlich schmälern. Doch es wäre eine Investition in die Zukunft, die sich lohnt.

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