Süddeutsche Zeitung

Anthropologie:Aufbruch zur großen Welt-Eroberung

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War es eine einzige Gruppe unserer Vorfahren, die sich aufmachte, um von Afrika aus die Kontinente zu besiedeln? Oder gab es mehrere Auswanderer-Wellen? Genetiker geben neue Einblicke in die früheste Geschichte der Menschheit.

In einem sind sich alle Anthropologen einig: Die Geschichte des Menschens beginnt in Afrika. Dort stiegen seine Vorläufer von den Bäumen, dort entwickelte sich die Gattung Homo, aus der schließlich der moderne Mensch hervorging. Doch wann genau Homo sapiens aus Afrika aufbrach, um die Welt bis nach Nordeuropa, Ostasien und sogar Australien zu besiedeln, ist bislang ein größtenteils ungelöstes Rätsel.

DNA-Analysen im Fachblatt Nature liefern nun neue Erkenntnisse, wie der Aufbruch aus Afrika wohl ablief. Gleich drei Forscherteams untersuchten das Erbgut von insgesamt mehr als 270 heute lebenden Populationen, um Rückschlüsse auf den Wanderweg unserer Ahnen zu ziehen.

Schon vor 200 000 Jahren bildete sich wohl eine Ur-Population Auswanderer heraus

Eine bislang stark vertretene These ist, dass bereits Homo erectus, ein Vorgänger des modernen Menschen, vor etwa 1,9 Millionen Jahren nach Asien und Europa aufbrach. Vermutlich entwickelte sich aus ihm in Europa der Neandertaler, in Afrika der Homo sapiens. Doch wann folgte Homo sapiens nach Norden? Passierte sein Auszug in einer einzigen Welle, die sich in einen europäischen und einen asiatisch-australischen Zweig aufspaltete? Oder gab es mehrere Grüppchen Auswanderer?

Zwei der neuen Nature-Studien stützen die Hypothese, nach alle heute lebenden Nicht-Afrikaner größtenteils von einer einzigen Auswandererpopulation abstammen. So untersuchten Genetiker um David Reich von der Harvard Medical School das Genom von 300 heute lebenden Individuen, zumeist von bislang wenig untersuchten Minderheiten. Die Forscher entdeckten Gemeinsamkeiten im Bauplan der DNA, die darauf hindeuten, dass sich die Gruppe der gemeinsamen Ahnen bereits vor 200 000 Jahren in Afrika formierte. Diese Ur-Population habe den afrikanischen Kontinent verlassen, ein Teil von ihr sei nach Europa weitergewandert, ein anderer nach Osten Richtung Asien und Australien.

Die zweite Forschergruppe um Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen vertritt in Nature ebenfalls die Ansicht, dass es nur eine Auswanderung von Homo sapiens aus Afrika gab. Die Wissenschaftler untersuchten das Erbgut von Aborigines und Papua, einer Population in Papua-Neuguinea. Den Ergebnissen der Analyse zufolge trennte sich diese Gruppe von Europäern und Asiaten vor etwa 58 000 Jahren. Vor etwa 37 000 Jahren entfernten sich dann Aborigines und Papua genetisch voneinander. "Die genetische Vielfalt unter den australischen Aborigines ist erstaunlich", sagt Anna-Sapfo Malaspinas von der Universität Kopenhagen. Gruppen aus dem Südwesten Australiens unterschieden sich genetisch stärker von Verwandten im Nordosten als amerikanische Ureinwohner und Sibirer. Im Erbgut fand das Team zudem Spuren von ausgestorbenen Menschengruppen wie dem Denisova-Menschen. Das passt zu der Vermutung, dass sich anatomisch moderne Menschen mit den Menschenarten vermischten, die sie unterwegs antrafen, in Europa etwa mit dem Neandertaler.

Hinweise auf frühere Auswanderungen

Jedoch birgt eine dritte Studie Hinweise darauf, dass es doch mehrere Auswanderungswellen aus Afrika gegeben haben könnte. Ein Team um Luca Pagani aus dem estnischen Tartu berichtet, dass etwa zwei Prozent des Erbguts von Menschen aus Papua-Neuguinea Merkmale haben, die darauf hinweisen, dass ihre Vorfahren Afrika früher verlassen haben als andere Eurasier.

Völlig unvereinbar mit den Ergebnissen der beiden anderen Forschergruppen ist das nicht. Mehrere Auswanderungswellen sind wohl denkbar, solange die früher ausgewanderten Menschen keine oder nur wenige Spuren im modernen Erbgut hinterlassen haben. Die Pioniere könnten also ausgestorben sein, bevor ihre Nachfolger eintrafen - oder sie wurden gewaltsam von den Nachzüglern verdrängt.

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SZ.de/chrb/Mit Material von dpa
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