Süddeutsche Zeitung

SZ-Klimakolumne:Die unheimliche Umwälzströmung

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In Europa herrscht dank einer Wärmepumpe im Atlantik ein mildes Klima. Doch die Erderwärmung bedroht die AMOC-Strömung. Über den Umgang mit einer düsteren Prognose.

Von Leonie Sanke

Kennen Sie auch dieses vage "Ohje, das ist die Klimakrise"-Gefühl? Mich überkommt es zumindest öfter, wenn im Sommer mal wieder Hitzerekorde gebrochen werden oder im Winter Fotos von grünen Skipisten die Runde machen. Dass sich dieses ungute Gefühl auch dann in mir breitmacht, wenn es ungewöhnlich kühl ist - wie aktuell hier in München - ist allerdings neu.

Klar, besonders kalte Tage im Winter sind erst mal nichts Ungewöhnliches - das Wetter schwankt, nicht für jedes Extrem ist die Klimakrise ursächlich. Aber seitdem ich zusammen mit Vera Schroeder und Alex Rühle mehr als zwei Monate lang zu einer Atlantikströmung recherchiert habe, die Wärme nach Europa bringt, muss ich auch bei extremer Kälte an die Klimakrise denken.

Denn diese Atlantische Umwälzzirkulation, auch AMOC genannt, die uns so ein schönes, mildes Klima beschert, ist langfristig in Gefahr. Und das liegt an der menschengemachten Klimaerwärmung. Wie bei so Vielem, das auf unserem Planeten aus dem Gleichgewicht zu geraten droht.

Dass die AMOC zentral für das Klima ist, nicht nur das europäische, ist schon lange bekannt. Und auch, dass die Klimaerwärmung sie abschwächen oder sogar stoppen könnte. Die Klimaveränderungen wären so drastisch, dass wir Menschen uns nur schwer daran anpassen könnten. Der (wissenschaftlich nicht gerade wertvolle) Katastrophenfilm "The Day After Tomorrow", der die AMOC medial berühmt gemacht hat, ist schon 20 Jahre alt. Aber noch immer sind in der Forschung viele Fragen offen und Studien kommen zum Teil zu sehr unterschiedlichen Prognosen. Wie genau die AMOC funktioniert und was man bisher über ihre mögliche Entwicklung herausgefunden hat, können Sie in unserem Storytelling nachlesen.

Nach allem, was man weiß, läuft die AMOC aber noch und die Klimaerwärmung macht unsere Winter aktuell vor allem milder und feuchter. Die großflächigen Überschwemmungen der vergangenen Wochen passen zu dieser Tendenz, wie meine Kollegin Theresa Palm eingeordnet hat. Und 2023 war das wärmste Jahr aller Zeiten - nicht nur in Deutschland. Der Daten-Überblick meines Kollegen Sören Müller-Hansen zeigt das sehr eindrücklich.

Man könnte an all diesen Prognosen, Tendenzen und Kipppunkt-Szenarien verzweifeln. Man kann sie aber auch Ansporn sehen, um sich verstärkt mit den Dingen auseinanderzusetzen, die jetzt nötig sind, um Klimaneutralität und -gerechtigkeit tatsächlich zu erreichen. Das habe ich mir zumindest für dieses neue Jahr vorgenommen.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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