Süddeutsche Zeitung

Amazonien:Vor-Kolumbus-Siedlungen im brasilianischen Dschungel entdeckt

Lesezeit: 1 min

Von Hanno Charisius

Wo sich heute Dschungel über dreitausend Kilometer weit in das Amazonasgebiet erstreckt, tummelten sich vor einigen hundert Jahren wahrscheinlich noch Millionen Menschen. In den letzten Jahren häufen sich archäologische Funde, die das Bild vom unangetasteten Urwald als romantische Vorstellung entlarven. Weite Teile der als so ursprünglich wirkenden Region sind vom Menschen geprägte, aber mittlerweile verwilderte Kulturlandschaften.

Anhand von Satellitenaufnahmen stieß eine britisch-brasilianische Forschergruppe im Nordwesten des brasilianischen Bundesstaates Mato Grosso jetzt erneut auf Siedlungsreste. In Form von Quadraten und Kreisen im Relief des Bodens deuteten sich die Überbleibsel einer untergegangenen Zivilisation auf den Fotos an. Stichprobenartig unternahmen die Forscher Expeditionen zu 24 der insgesamt 81 neuen Fundorte und bestätigten durch Ausgrabungen, was die Luftbilder bereits angedeutet hatten: Hier lebten einmal Menschen. Davon zeugen Keramikscherben und Steinäxte, gedüngte Erde und kleine Deponien für Unrat.

Manche Siedlungen waren wohl sehr klein, doch die Forscher stießen auch auf befestigte Dörfer mit einem Durchmesser von 400 Metern samt angelegten Plätzen und Straßen. Das Alter der Ruinen schätzen der Archäologe Jonas Gregorio de Souza von der University of Exeter und seine Kollegen im Wissenschaftsjournal Nature Communications auf mindestens 500 bis 750 Jahre.

Die neuen Funde belegen, dass auch diese 1800 Kilometer große Region im heutigen Brasilien zwischen 1250 und 1500 dauerhaft von Menschen besiedelt war. Also bevor am Ende des 15. Jahrhunderts die ersten Europäer auf den Kontinent kamen. Die meisten Siedlungen liegen an Flussläufen. Allein die teils große räumliche Distanz zwischen einigen der Dörfer lässt die Forscher vermuten, dass die Menschen dort unterschiedliche Gebräuche pflegten. Darauf weisen auch unterschiedliche Baustile und Verzierungen auf den Keramikteilen hin.

De Souza und seine Kolleginnen und Kollegen vermuten, dass auch die noch nicht untersuchten Gebieten einmal ähnlich dicht besiedelt waren. Demnach hätten im 400 000 Quadratkilometer großen südlichen Amazonasbecken einmal zwischen 500 000 und eine Million Menschen gelebt, verteilt auf 1000 bis 1500 Dörfer und Städte - bis Christoph Kolumbus und seine Gefolgsleute das Land betraten.

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