Süddeutsche Zeitung

Alternative Energiequellen:Es mangelt an sauberem Kohlendioxid

Lesezeit: 3 min

Mit Hilfe überschüssiger Windenergie wollen Forscher aus Kohlendioxid künstliches Erdgas herstellen. CO2 gibt es mehr als genug. Doch womöglich nutzt die Methode dem Klima nichts.

Christopher Schrader

Kohlendioxid gibt es auf dieser Welt im Überfluss. Also sollten Forscher und Techniker, die das Treibhausgas brauchen, keine Probleme haben, es auch zu bekommen - sollte man meinen.

Doch gerade die Beschaffung von CO2 in guter Qualität und ausreichender Menge erweist sich womöglich als Stolperstein für eine neue und viel beachtete Idee, mit der sich erneuerbare Energie speichern lässt.

Das Verfahren hat verschiedene Namen, Power-to-Gas oder Windgas sind die gebräuchlichsten. Es geht darum, überschüssigen Wind- oder Solarstrom zu nutzen, um synthetisches Erdgas zu erzeugen, das sich in dem vorhandenen Netz der Erdgaspipelines speichern und transportieren lässt.

"Die Energie, die wir in Zukunft gewinnen, muss unabhängig von Raum und Zeit verfügbar sein", sagt Michael Sterner vom Fraunhofer-Institut für Windenergie (IWES) in Kassel. Der Strom entsteht meist an der Küste, und zwar nur, wenn der Wind weht. Verbraucht wird er aber im Binnenland und das womöglich zu anderer Zeit.

Weltweit erkunden Experten, wie dieses zentrale Problem der Energiewende zu bewältigen ist. Etliche von ihnen haben sich Anfang der Woche in Berlin zu einer internationalen Konferenz über die Speicherung und den Transport erneuerbarer Energie getroffen.

"Power-to-Gas bietet eine Lösung für beide Aspekte", sagt Sterner, der das Konzept seit Jahren verfolgt. Der Trick mit dem Windgas soll verhindern, dass Kohlekraftwerke anspringen, sobald die Nachfrage das Angebot an grünem Strom übertrifft.

Die Idee sieht folgende Schritte vor: Immer dann, wenn zum Beispiel Windparks Elektrizität im Überfluss erzeugen, wird diese in Elektrolyse-Anlagen umgeleitet. Dort spaltet der Strom Wasser in Sauerstoff- und Wasserstoffgas. Dieses Gas ist selbst ein Energieträger, es kann in kleinen Mengen dem Erdgas im Netz beigemischt werden.

Oder es wird in einem zweiten Schritt mit CO2 zusammengeführt, sodass daraus Methan entsteht, der Hauptbestandteil von natürlichem Erdgas. Dieses lässt sich in beliebiger Menge in das vorhandene Leitungsnetz einspeisen, welches Heizungen, Kraftwerke und manche Tankstellen versorgt.

Das europäische Gasnetz ist 1,8 Millionen Kilometer lang und kann zehnmal so viel Energie transportieren wie die Hochspannungsleitungen", sagt Gert Müller-Syring vom Beratungsunternehmen DBI-Gut in Leipzig.

"Wir müssen auch keine ,neuen Kathedralen' bauen, um mit synthetischem Erdgas erneuerbare Energie zu speichern", ergänzt Reinhard Otten vom Autohersteller Audi, "wir können einfach anfangen."

Viele andere Ideen setzen voraus, dass teure Leitungen, Batterieparks, unterirdische Kavernen oder Speicherseen gebaut werden; für Windgas braucht man nur eine Elektrolyse-Anlage. Eine solche möchte Audi in Werlte im Emsland bauen, sie soll umweltfreundlichen Treibstoff für 1500 Autos liefern.

Doch der kühne Entwurf vom künstlichen Erdgas hat noch etliche Haken. Ganz offensichtlich ist das Problem mit der Effizienz, denn über die Schritte des Verfahrens addieren sich die Verluste. Wenn der Windstrom auf dem Umweg über das Gas gespeichert, 500 Kilometer transportiert und in Strom zurückverwandelt wird, gehen womöglich zwei Drittel der Energie verloren.

Die Windgas-Freunde sehen den Wirkungsgrad aber nicht als vernichtendes Argument. Bessere Alternativen gebe es noch nicht, außerdem werde das synthetische Gas nicht unbedingt verstromt. Und schließlich: "Der Windstrom würde sonst abgeschaltet, wenn man kein Gas daraus macht", sagt Robert Werner, der Leiter von Greenpeace Energy, einer von der Umweltgruppe gegründeten Firma.

Ein weniger offensichtliches, aber drängendes Problem dürfte die Beschaffung des für das künstliche Methan nötigen Kohlendioxids sein: 1,8 Kilogramm braucht es pro Kubikmeter Erdgas. Audi hat sich für seine Pilotanlage auch deswegen den Standort Werlte ausgesucht, weil hier eine Biogasanlage des regionalen Energieversorgers EWE das CO2 zuliefert.

Dort gilt es als klimaneutral, schließlich haben die vergorenen Pflanzenteile beim Wachsen so viel Kohlendioxid aufgenommen, wie später wieder frei wird. Für Mareike Jentsch vom IWES ist das die beste Quelle für CO2. Stammt es jedoch aus Kohlekraftwerken, kann das Power-to-Gas-Verfahren den grünen Nimbus verlieren.

Entscheidend ist nämlich, wer die Verantwortung für die spätere Emission des CO2 übernimmt. Das synthetische Gas wird ja irgendwann verbrannt, dabei wird das Kohlendioxid frei. "Nur wenn der Kraftwerksbetreiber Emissionszertifikate dafür hat, kann das Windgas klimaneutral erzeugt werden", sagt Jentsch. Aber warum sollte der Kraftwerksbetreiber diese Verantwortung und diese Kosten übernehmen? Er würde das Treibhausgas sonst auffangen und irgendwo im Erdboden verpressen.

Wälzt der Lieferant des Kohlendioxids aber die Verantwortung für die Emission zumindest zum Teil auf den Produzenten des Windgases ab, dann brauchen andere die entsprechenden Zertifikate. Aber wer?

Der Produzent selbst setzt kein Treibhausgas frei, und seine Kunden, darunter Privathaushalte, sind vom Zwang befreit, Emissionsrechte zu erwerben. Die grüne Technik, rechnet Jentsch vor, könnte dann mehr Treibhausgas ausstoßen als ein Erdgaskraftwerk.

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Quelle:
SZ vom 02.12.2011
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