Süddeutsche Zeitung

Zinsen:Kredit aufnehmen, Zinsen einnehmen

Lesezeit: 2 min

Die erste Bank gibt Negativzinsen an Kreditkunden weiter.

Von Harald Freiberger

MünchenDie Vorstellung klingt fantastisch: Nimm' einen Kredit auf, und wir zahlen dir noch Geld obendrauf. So könnte man den Zuschuss verstehen, den die Landwirtschaftliche Rentenbank aus Frankfurt nun eingeführt hat. Sie ist das erste Kreditinstitut in Deutschland, das Negativzinsen an Kreditnehmer weitergibt. Die Idee klingt skurril, denn wenn man sie zu Ende denkt, würde ein Bankkunde umso mehr Geld verdienen, je höher der Kredit ist, den er aufnimmt. Doch ganz so einfach ist es damit nicht. Unterm Strich verdient kein Kunde bei der Rentenbank Geld mit dem Kredit, er muss schon noch dafür zahlen.

Es ist eine weitere Blüte aus der verdrehten Welt des Negativzinses, verursacht durch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie hat den Leitzins auf 0,0 Prozent gesenkt, für kurzfristige Einlagen von Geschäftsbanken verlangt sie einen Strafzins von 0,4 Prozent. Die Banken ihrerseits geben den Strafzins zunehmend an die eigenen Kunden weiter. Wer sehr viel Geld kurzfristig angelegt hat, zum Beispiel große Unternehmen oder Kommunen, muss den Negativzins auch zahlen.

Doch Negativzinsen bei Krediten - das wäre neu. Die Landwirtschaftliche Rentenbank ist, ähnlich wie die KfW, eine Förderbank, speziell für die Landwirtschaft. Der Bund haftet für sie, deshalb ist ihre Bonität sehr hoch. Entsprechend günstig kann sie sich refinanzieren: Wenn sie Anleihen ausgibt, zahlen die Investoren bei einigen Laufzeiten Zinsen, statt welche zu erhalten. "Da wir nicht primär profitorientiert arbeiten, möchten wir das niedrige Zinsniveau an die Endkreditnehmer weitergeben", sagt Vorstandssprecher Horst Reinhardt. Die Rentenbank vergibt ihre Förderdarlehen aber nicht direkt, sondern refinanziert die Hausbank des Kunden. Diese reicht die günstigen Konditionen, versehen mit einem Zinsaufschlag je nach Bonität, an den Kunden weiter. Negative Zinsen weiterzureichen, wäre technisch und juristisch aber schwierig. So können etwa die EDV-Systeme einiger Banken ein Minus vor dem Zinssatz gar nicht verarbeiten. Statt negative Zinsen zu berechnen, gewährt die Rentenbank deshalb einen Förderzuschuss zu Beginn der Laufzeit. Dieser wird einmalig gezahlt, er liegt derzeit bei 1,0 Prozent der Kreditsumme. Ein Rechenbeispiel: Ein Landwirt braucht für den Kauf eines Traktors einen Kredit von 100 000 Euro. Er geht zu seiner Hausbank. Die empfiehlt ihm einen günstigen Förderkredit der Rentenbank. Der Kunde schließt den Kredit über fünf Jahre Laufzeit ab. Der Zinssatz liegt bei bester Bonität des Kunden auch bei 1,0 Prozent, die Zahlung von Zins und Tilgung erfolgt vierteljährlich. Der Förderzuschuss von 1,0 Prozent entspricht in dem Beispiel 1000 Euro. Bei Auszahlung des Darlehens werden dem Kunden damit nicht nur 100 000 Euro gutgeschrieben, sondern 101 000 Euro. Das Darlehen wird bis ans Ende der Laufzeit im März 2022 vierteljährlich getilgt. Am Ende hat der Kunde in der Summe Zinsen in Höhe von 3083 Euro bezahlt. Zieht man davon den erhaltenen Förderzuschuss von 1000 Euro ab, sind es unterm Strich noch 2083 Euro. Die Förderung mindert also die Zinsschuld - sie führt aber nicht dazu, dass der Kreditnehmer auch noch Geld herausbekommt. Findige Kunden könnten nun auf die Idee kommen, die Förderung einzustreichen und den Kredit vorzeitig zurückzuzahlen. Doch auch damit lässt sich kein Geld verdienen: Es gibt Vertragsklauseln, dass dann der Förderzuschuss anteilig zurückgezahlt werden muss. Zudem wird unter Umständen eine Entschädigung für vorzeitige Tilgung fällig. Dass ein Kunde mit einem Kredit unterm Strich Geld verdient - soweit ist es trotz aller Skurrilitäten in der Welt des Negativzinses noch nicht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3453784
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.04.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.