Süddeutsche Zeitung

Videos im Netz:Youtube wird ein bisschen Kabel eins

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Von Jürgen Schmieder

Es ist so nebenbei passiert, dass es für Aufregung sorgen muss: Das Videoportal Youtube hat im Oktober ohne großes Gedöns eine neue Kategorie eingeführt, die "Free To Watch" heißt und bei der Kunden in den Vereinigten Staaten kostenlos 100 Spielfilme wie Rocky, The Terminator oder Legally Blonde sehen können. Keine große Sache, schließlich bieten auch Konkurrenten wie Walmart (über den Dienst Vudu) oder Tubi kostenlose Spielfilme an, auf dem Roku Channel sind ebenfalls Klassiker wie The Matrix oder 50 First Dates zu sehen.

Es ist deshalb interessant, weil Youtube diese Inhalte zwar kostenlos bereitstellt - bislang konnte man auf der Plattform Filme gegen Bezahlung ordern, wie es bei Amazon Prime oder iTunes von Apple möglich ist -, diese jedoch mit Werbeunterbrechungen versieht. Das ist ein Bruch mit der Strategie vieler Portale, Umsätze nicht über Erlöse durch Werbung zu generieren, sondern über Abonnements. Reklame inmitten von Filmen und Serien klingt wie traditionelles Fernsehen und damit nach einer längst vergangenen Zeit.

Youtube zurückhaltend: "Wir probieren das mal aus"

"Wir haben die Nachfrage bemerkt, und wir wollen mal ausprobieren, ob werbefinanzierte Spielfilme für unsere Kunden interessant sind", sagte Youtube-Produktchef Rohit Dhawan der Branchenzeitschrift Ad Age. Das Unternehmen verzeichnet etwa 1,9 Milliarden monatlich aktive Nutzer und experimentierte bereits mit eigenen, werbefinanzierten Inhalten. Kürzlich war ein von Youtube Originals produziertes Video des Schauspielers Will Smith zu sehen, wie er sich zu seinem 50. Geburtstag aus einem Helikopter in den Grand Canyon stürzt. Wer den Bungee-Sprung sehen wollte, musste vorher Reklame gucken. Das taten mehr als 17 Millionen Leute.

Es heißt, dass Werbetreibende gerade bei Internetvideos fürchten, dass ihr Unternehmen mit möglicherweise minderwertigen oder gar anstößigen Inhalten in Verbindung gebracht wird - und deshalb noch immer lieber im traditionellen TV werben, weil sie dort genau werben, in welchem Umfeld ihre Spots gezeigt werden. Mutterkonzern Alphabet hat nun offenbar zum einen Nutzer entdeckt, die die Plattform ausschließlich auf ihren TV-Geräten besuchen - und werbefinanzierte Spielfilme als möglichen Markt ausgemacht. Das klingt derart nach traditionellem TV, dass klar sein dürfte, warum das Unternehmen dieses Angebot lieber ohne großes Gedöns eingeführt hat.

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Quelle:
SZ vom 22.11.2018
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