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Wie die Börsen auf die Wahlen reagieren:Gelassen bei Frankreich, geschockt über Griechenland

Lesezeit: 2 min

Ein Sozialist regiert Frankreich und die Aktien steigen: Die Wahl in Frankreich zeigt, dass Investoren nicht so stupide auf demokratische Ereignisse reagieren, wie es mancher gerne suggeriert. Deshalb sagt es viel, wenn griechische Bankaktien bis zu 20 Prozent einbrechen.

Alexander Hagelüken

Nicolas Sarkozy hatte seine Niederlage vorab zur nationalen Katastrophe erklärt: Sarko oder das Chaos. Wenn er nicht wieder zum französischen Präsidenten gewählt werde, würden die Finanzmärkte den zweitgrößten Euro-Staat richten, warnte der Konservative.

Und was war am Tag nach dem Sieg seines sozialistischen Herausforderers François Hollande? Französische Aktien stiegen leicht, der Euro blieb stabil - richtig abwärts ging es dagegen mit griechischen Papieren aller Art, weil die Spar-Parteien ihre Mehrheit verloren. Das zeigt: Investoren reagieren nicht so stupide auf demokratische Ereignisse, wie es mancher gerne suggeriert.

Politische Börsen haben kurze Beine, lautet ein alter Aktionärsspruch. Das heißt: Vor einer Wahl gibt es jede Menge Spekulation, danach auch immer Kursreaktionen. Aber solche kurzfristigen Bewegungen haben wenig zu bedeuten. Investoren lassen die Luft aus politischen Börsen. Sie beobachten in Ruhe, wie gewählte Regierungen wirklich handeln - und das bewegt dann die Kurse langfristig und nachhaltig.

Beispiel Frankreich: Als vor 30 Jahren der Sozialist François Mitterrand Präsident wurde, begrenzte er den Kapitalverkehr, erhöhte massiv die Steuern und verteilte Wahlgeschenke. Die Aktienkurse brachen ein. Bei Hollande warten die Investoren nun ab, was er wirklich verändert. Sie sind gelassener, weil der neue Sozialist wohl viel pragmatischer regieren wird als Mitterrand.

Angst vor Hollande? Es könnte Panikmache gewesen sein

Vor der Wahl gab es viele Warnungen, Hollande wolle Europas Sparkurs verlassen, der den Euro dauerhaft stabilisieren soll. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dies könnte Panikmache gewesen sein. Der Neue will - wie Sarkozy - nächstes Jahr das Etatdefizit auf die Maastricht-Grenze von drei Prozent senken. So weit, so sparsam. Seine Forderung nach Wachstumspolitik muss den Euro-Fiskalpakt nicht sprengen - es kommt eben darauf an, wie diese Politik aussieht. Pikant ist, dass manche US-Investoren Hollandes Sieg am Montag als Chance dafür begrüßten, dass Europa von seiner reinen Sparpolitik abweiche. Es setzt sich bis nach Berlin immer mehr der Gedanke durch, dass Europa Wachstumsimpulse braucht, um aus der Krise zu kommen. In François Hollande findet die Bundeskanzlerin einen Partner, um eine undogmatische Lösung zu suchen.

Frankreichs wirkliches Problem sind die unterlassenen Wirtschaftsreformen: starrer Arbeitsmarkt, frühe Rente, fehlende Bündnisse zwischen Firmen und Gewerkschaften. Es ist wahr, hier lässt Hollande wenig erwarten. Nur: Vorgänger Sarkozy hat viel geredet und wenig reformiert. Das erklärt, warum Frankreich so schlecht dasteht - und warum die Investoren den Sieg eines Sozialisten locker sehen. Und das ist auch das große Fragezeichen nach der Wahl Hollandes: Die schlechte Bilanz Sarkozys ist keine Entschuldigung. Es wäre für Frankreich und den Euro zu hoffen, dass Hollande den Gerhard Schröder in sich entdeckt und das Land reformiert - so wie es in Deutschland ein SPD-Kanzler tat und nicht sein konservativer Vorgänger oder die konservative Nachfolgerin.

Der wahre Schock heißt Griechenland

Die Investoren reagieren differenziert: gelassen bei Frankreich, geschockt über Griechenland. Dass griechische Bankaktien bis zu 20 Prozent einbrachen, sagt viel. Es ist relativ einfach: Das Land braucht eine Regierung, notfalls nach weiteren Neuwahlen, die das Sparen fortsetzt. Andernfalls werden die Helfer zu Recht den Geldhahn zudrehen, und Athen ist offiziell pleite. Freuen sollte sich keiner: Eine Pleite wird deutsche Firmen Aufträge kosten, den deutschen Steuerzahler teuer kommen - und könnte Portugal oder Spanien anstecken.

Die europäischen Partner müssen jetzt überlegen, wie sie Wachstum in Griechenland fördern können. Auf mittlere Sicht könnte der Erlass weiterer, diesmal staatlicher Darlehen nötig sein, um Athen eine Perspektive zu geben. Das alles aber funktioniert nur, wenn die Griechen sich durchringen, eine rationale Regierung zu bestimmen, die weiter spart.

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Quelle:
SZ vom 08.05.2012
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