Süddeutsche Zeitung

Weltwirtschaft:So gefährlich ist Populismus für die Weltwirtschaft

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Von Claus Hulverscheidt, New York

Politischer Populismus, wirtschaftliche Abschottung und pauschale Globalisierungskritik entwickeln sich weltweit zu einem ernsten Wachstumshemmnis. Zu diesem Schluss kommt der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem halbjährlichen Konjunkturbericht, der am Dienstag in Washington vorgestellt wurde. Demnach sind die zunehmenden "politischen Risiken" ein Grund dafür, dass das Wachstum vielerorts auch 2017 schwach ausfallen wird. Deutschland liegt mit erwarteten 1,7 Prozent in diesem und 1,4 Prozent im nächsten Jahr unter den Industriestaaten sogar noch im oberen Mittelfeld.

Dass der IWF so ausdrücklich vor Populismus warnt, hat es noch nicht gegeben. Genannt wird unter anderem der geplante EU-Austritt Großbritanniens, der schon 2017 das Wachstum im Vergleich zur Frühjahrsprognose auf 1,1 Prozent halbieren werde. Das entspreche rein rechnerisch einem Wohlstandsverlust von fast 30 Milliarden Euro. Auch der US-Präsidentschaftswahlkampf, in dem erstmals beide Kandidaten mit Freihandelsskepsis zu punkten versuchen, wird in der Analyse erwähnt.

Dass vielerorts Populisten auf dem Vormarsch sind, führt IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld unter anderem auf die anhaltend schwache Konjunkturerholung nach der Weltwirtschaftskrise von 2009 zurück sowie auf die zunehmend ungleiche Einkommensverteilung. "Das Ergebnis in einigen reicheren Ländern ist, dass eine politische Bewegung entstanden ist, die für alle Probleme die Globalisierung verantwortlich macht", sagte er. Statt mit anderen Staaten gemeinsam nach Lösungen zu suchen, werde versucht, "eine Mauer um die eigene Volkswirtschaft zu ziehen, um sie gegen globale Trends abzuschirmen".

Der Trend zur Abschottung und zur Abkehr von Handelsverträgen stellt laut IWF nicht nur die Rahmenbedingungen infrage, an denen Unternehmen in aller Welt bisher ihre Produktions-, Vertriebs- und Einstellungsentscheidungen ausrichten. Vielmehr führe derlei Unsicherheit oft auch dazu, dass Firmen Investitionen aufschöben. Das bremse Wachstum und Beschäftigung. Hinzu komme, dass nötige Veränderungen in vielen Ländern immer schwerer durchsetzbar würden, wenn sich die innenpolitischen Fronten weiter verhärteten.

IWF-Ökonomen rechnen mit steigendem Ölpreis

Weltweit erwartet der IWF für dieses und nächstes Jahr Wachstumsraten von 3,1 und 3,4 Prozent. Dabei wird die schwächere Entwicklung in einigen Industriestaaten, insbesondere den USA, ausgeglichen durch eine etwas bessere Prognose für einige Schwellenländer, darunter Brasilien und Russland. Der Zuwachs im Welthandel dürfte zumindest 2016 mit 2,3 Prozent erneut hinter dem Wachstum zurückbleiben. Erst für 2017 erwartet der Fonds einen spürbaren Wiederanstieg.

Mit einer Erholung rechnen die IWF-Experten auch beim Ölpreis, der laut Prognose 2017 um knapp 18 Prozent steigen wird. Dennoch dürften die Verbraucherpreise in den Industriestaaten im Schnitt um gerade einmal 1,7 Prozent zulegen. Der Währungsfonds empfiehlt deshalb eine allenfalls langsame Erhöhung der Leitzinsen in den USA und eine Fortsetzung, notfalls sogar eine weitere Ausdehnung der ultra-lockeren Geldpolitik in Europa.

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Quelle:
SZ vom 05.10.2016
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