Süddeutsche Zeitung

Welthandel:"Totale Konfusion"

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Mal droht Donald Trump seinen Gesprächspartnern, mal schmeichelt er ihnen: Im Handelskonflikt wird die Stimmung immer gereizter.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Mit Druck, das weiß jeder, der einmal in ihre Fänge geraten ist, kann die Führung in Peking umgehen. Oft genug ist sie es ja selbst, die diesen Druck ausübt - auf militärisch schwächere Nachbarstaaten, auf ausländische Handelspartner, auf Regimegegner. An ihre Grenzen jedoch geraten Präsident Xi Jinping und die Seinen immer dann, wenn sie es mit Menschen zu tun bekommen, die permanent missverständliche Signale aussenden. Menschen, die ihnen mal drohen und mal schmeicheln, die heute drakonische Wirtschaftssanktionen verkünden und morgen erklären, alles werde gut. Menschen wie US-Präsident Donald Trump also.

Die "totale Konfusion", die Derek Scissors vom konservativen US-Politikinstitut AEI bei den Chinesen ausgemacht hat, könnte in den kommenden Wochen noch deutlich zunehmen: Nicht nur, dass die Regierung Trump an neuen Restriktionen arbeitet, die die chinesische Firmen daran hindern sollen, technisches Know-how amerikanischer Konkurrenten abzusaugen. Vielmehr sollen Ende nächster Woche auch jene Strafzölle auf chinesische Warenlieferungen im Wert von 34 Milliarden Dollar in Kraft treten, die der Präsident aus Verärgerung über den hohen Handelsüberschuss der Volksrepublik angekündigt hatte. China will notfalls in gleicher Größenordnung zurückschlagen.

In beiden Punkten - beim Technologieklau wie beim Handelsdefizit - hatte Trump zuletzt widersprüchliche Botschaften ausgesandt. Mal beschimpfte er die Chinesen, mal erklärte er über den Kurzmitteilungsdienst Twitter, sein "Freund Xi" und er würden die Dinge schon richten. Wie verwirrt die Pekinger Führung ist, zeigt der Umstand, dass sie ihre traditionelle diplomatische Zurückhaltung immer öfter aufgibt: "Wir appellieren an unsere amerikanischen Gesprächspartner, glaubwürdig und konsistent zu bleiben", sagte Li Kexin, Minister an der chinesischen Botschaft in den USA, in dieser Woche bei einer Rede in Washington. Wenn etwas vereinbart sei, müsse es auch gelten.

Doch derlei Konsistenz scheitert oft schon daran, dass die US-Regierung nicht einmal intern an einem Strang zieht. Noch zu Wochenbeginn hatten US-Zeitungen unter Berufung auf hohe Regierungsbeamte berichtet, Trump wolle den Technologietransfer nach China mit einem markigen Doppelschlag komplett stoppen: Zum einen werde man chinesischen IT-Firmen in aller Regel untersagen, US-Rivalen zu übernehmen. Zum anderen werde der Export "industriell bedeutender Technologiegüter" in die Volksrepublik schlicht verboten. Am Ende setzten sich intern jedoch die Gegner einer solch harschen Lösung durch, die vor deutlichen Exportverlusten der amerikanischen IT-Wirtschaft und der Zerstörung von Lieferketten warnten.

Stattdessen will Trump nun das Regierungskomitee für Auslandsinvestitionen, kurz CFIUS, stärken. Es kann dem Präsidenten empfehlen, den Einstieg ausländischer Investoren bei einer US-Firma abzulehnen, wenn dieser die "nationale Sicherheit" bedroht. Was eine solche "Stärkung" jedoch praktisch bedeuten wird, ist offen, zumal die Zahl chinesischer Übernahmeversuche in den USA seit Trumps Amtsantritt bereits drastisch gesunken ist. Dennoch brachte ihm die Kehrtwende den Vorwurf ein, vor den Chinesen zu katzbuckeln. Die Kritik kam allerdings weniger von republikanischen Hardlinern als vielmehr von den oppositionellen Demokraten. "Das ist wieder einmal ein Beispiel, wo Präsident Trump vermeintlich einen harten Kurs gegenüber China einschlägt, nur um am Ende ohne Angabe von Gründen, manchmal gar aus einer reinen Laune heraus, beizudrehen", sagte der Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer.

Hinter dem amerikanisch-chinesischen Dauerscharmützel steht nicht nur Trumps Frust über das hohe US-Handelsdefizit gegenüber der Volksrepublik, sondern vor allem ein Kampf um die technologische Weltmarktführerschaft im 21. Jahrhundert: Die USA wollen ihren Vorsprung im IT-Sektor mit allen Mitteln verteidigen, Peking dagegen will mithilfe des milliardenschweren Subventionsprogramms "Made in China 2025" möglichst bald an dem Rivalen vorbeiziehen. Beide Seiten verbrämen in dem Konflikt oft ihre wahren Ziele und bedienen sich zudem unsauberer Mittel, darunter vor allem Zölle und Subventionen. Das Nachsehen haben vor allem die Europäer, die Trumps Ärger über den Technologieklau und die Marktabschottung Chinas eigentlich teilen, sich wegen des parallel laufenden Streits um Handelsüberschüsse aber mit der Volksrepublik in eine Ecke gestellt sehen.

Doch auch in den USA selbst ist von einem Erfolg der aggressiven Trump'schen Handelspolitik bisher nichts zu sehen: Anders als vom Präsidenten vorhergesagt, hat seine Politik bisher mitnichten dazu geführt, dass ausländische Regierungen ihre Importzölle auf US-Produkte senken oder gar abschaffen. Im Gegenteil: Viele Staaten haben ihre Einfuhrabgaben als Reaktion auf Trumps Dauerdruck erhöht. Die Zeche zahlen nun Autobauer in Stuttgart und Leuchtmittelhersteller in München. Aber auch die Milchbauern in Idaho. Und Stahlverarbeiter in Missouri. Und Motorradhersteller in Wisconsin.

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SZ vom 30.06.2018
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