Süddeutsche Zeitung

Militäroffensive:Geplantes Werk in der Türkei bereitet Volkswagen Probleme

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Von Max Hägler

Der Volkswagen-Konzern hat angesichts der Militäroffensive der Türkei in Syrien die formale Entscheidung zum Bau eines neuen Werkes nahe Izmir verschoben. Das Unternehmen erklärte, der Vorstand habe den Beschluss vertagt und blicke mit Sorge auf die aktuelle Entwicklung. Stephan Weil, der Ministerpräsident des an VW beteiligten Landes Niedersachsen, erklärte: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass VW unter diesen Bedingungen in der Türkei eine Milliardeninvestition vornimmt." Der SPD-Politiker sitzt auch im Konzernaufsichtsrat.

Das Management des Autobauers hatte Anfang Oktober bekanntgegeben, die 123. Fabrik des Konzerns nicht in einem EU-Land errichten zu wollen, sondern in der Stadt Manisa, unweit der türkischen Hafenstadt Izmir. Dort sollten vom Jahr 2022 an Autos der Modellreihen VW Passat und Škoda Superb gebaut werden. Dem Vernehmen nach hatte Konzernchef Herbert Dies persönlich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verhandelt. Das Unternehmen will wohl mehr als eine Milliarde Euro investieren und etwa 4000 Mitarbeiter beschäftigen.

Höhere Subventionen in der Türkei

Volkswagen zufolge hat die Türkei ein niedrigeres Lohnniveau als osteuropäische Standorte, die auch im Rennen waren. Nach Gewerkschaftsangaben wird in der Türkei ein Lohn von etwa zwei Euro pro Stunde gezahlt. In Bulgarien, das lange als Alternative gegolten hatte und sein Angebot an den Volkswagen-Konzern nach FAZ-Informationen nun noch einmal verbessert hat, seien die Löhne zwar ebenfalls gering, allerdings fehlten dort qualifizierte Arbeitskräfte.

Möglicherweise eine Rolle bei der Entscheidung haben zudem fragwürdige Fördergelder gespielt. An der Vorentscheidung für die Türkei gibt es auch deshalb seit Tagen heftige parteiübergreifende Kritik aus dem Europaparlament. Der Grünen-Abgeordnete Reinhard Bütikofer hat seine "Bestürzung" bekundet angesichts der prekären Menschenrechtslage und womöglich unzulässiger Subventionen. Manfred Weber, Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion, reagierte ebenfalls mit Unverständnis: "Es ist bedauerlich, dass sich Volkswagen entschieden hat, ein neues Werk in der Türkei zu bauen - trotz der Einschränkungen der Pressefreiheit."

Wie es in Brüssel heißt, aber auch von der Regierung in Sofia, habe Erdoğan dem VW-Konzern 400 Millionen Euro Subventionen versprochen. Bulgarien habe aufgrund der EU-Beihilferegeln nicht mithalten können. Die Regeln würden aufgrund eines Handelsabkommens jedoch auch für die Türkei gelten, stellen die kritischen Europaparlamentarier fest. Weber hat deshalb die Europäische Kommission schriftlich gebeten zu untersuchen, ob die Türkei gegen europäisches Recht verstoße. Der Prüfauftrag dürfte aktuell bleiben.

VW-Aufsichtsrat Stephan Weil hat zu verstehen gegeben, dass es im Moment um einen Aufschub der VW-Pläne in der Türkei geht, keine komplette Absage: "Die Verhandlungen sind zu dem Vorhaben nach wie vor nicht final abgeschlossen." Er hoffe, dass sich die Verhältnisse in der Türkei normalisierten.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2019
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