Süddeutsche Zeitung

Volkswagen:Loyal bis ins Gefängnis

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Ein US-Gericht verurteilte den ehemaligen VW-Manager Oliver S. wegen Dieselbetrugs. Er muss jetzt ins Gefängnis, die Strafe ist hart - und der Konzern hält sich zurück.

Von Max Hägler und Claus Hulverscheidt, München/New York

Sieben Jahre Haft und 400 000 Dollar Geldstrafe: Recht viel härter hätte es den VW-Manager Oliver S. nicht treffen können. Eine harte Strafe für seine Beteiligung am Diesel-Skandal. Die zweite harte Strafe. Im Sommer war bereits VW-Ingenieur James L. für drei Jahre und vier Monate hinter Gitter geschickt, ihm wurde eine Geldbuße von 200 000 Dollar aufgebrummt.

Dabei sind weder S. noch L. nach Ansicht des Richters Sean Cox letztverantwortlich für den Dieselskandal, sie haben wohl auf Weisung gehandelt. In einem Schreiben an das Gericht kurz vor der Urteilsverkündung hatte Oliver S. auch davon gesprochen, er fühle sich hintergangen von VW, denn er habe doch nur getan, was ihm aufgetragen wurde.

VW kommentiert den Fall nicht, unter Verweis auf die Persönlichkeitsrechte. Aber aus Unternehmenskreisen wird deutlich gemacht: Der Mann bekommt keine Unterstützung mehr. Die Loyalität beim Vertuschen wird ihm wohl nicht gedankt. Sie kann auch nicht gewürdigt werden, sagt der Jurist Helmut Görling, Compliance-Experte bei der Anwaltskanzlei Herbert Smith Freehills: "Der Mitarbeiter hat keine Chance auf Unterstützung." Würde das Unternehmen ihm in irgendeiner Form finanziell beistehen, etwa die Geldstrafe oder den Umzug in die USA zahlen, den die Ehefrau des Verurteilten offenbar unternommen hat, dann würden sich die Entscheider dem Vorwurf ausgesetzt sehen, Straftaten zu unterstützen. Das könnte eine Pflichtverletzung oder sogar eine Untreue darstellen. Denn die Unterstützung von Straftätern könne nicht dem Geschäftszweck von VW entsprechen. Sofern keine Strafrechtsversicherung vorliege, die wenigstens die Kosten der Strafverteidigung deckt, wäre eine letzte Notlösung gegebenenfalls die Hilfe durch eine unternehmensnahe Stiftung, sofern deren Stiftungszweck derlei zulasse.

Oliver S. sei da in ein schwer auflösbares Dilemma gekommen, sagt Jurist Görling. Er hätte in seiner Arbeit gegen die Weisung protestieren können, dann wäre er aber seinen Job auch los gewesen. Allerdings: "Den Arbeitsgerichtsprozess hätte er sehr wahrscheinlich gewonnen." Kein Unternehmen könne Ungesetzlichkeiten von seinen Mitarbeitern verlangen.

Der ehemalige Leiter der VW-Umweltzertifizierungsstelle in Michigan hatte sich nach seiner Festnahme vor knapp einem Jahr zunächst als unschuldig bezeichnet. Nachdem ihn die US-Behörden jedoch mit internen Unterlagen und E-Mails konfrontierten, die sein Wissen über die Manipulation der Diesel-Abgasanlagen belegten, lenkte er ein und versprach zu kooperieren. Dennoch wurde er am Mittwoch in Häftlingskleidung und mit Handschellen in den Gerichtssaal in Detroit gebracht.

Was S. dazu veranlasst hatte, seinen Weihnachtsurlaub vor einem Jahr ausgerechnet in den USA zu verbringen, ist immer noch rätselhaft. Aus VW-Kreisen heißt es, das Unternehmen habe ihn gewarnt. Angeblich hatte auch sein Anwalt bei den US-Behörden vorgefühlt, ob der VW-Mitarbeiter gefahrlos in die Vereinigten Staaten einreisen könne. Sollte es so gewesen sein, muss der Anwalt entweder etwas grob missverstanden haben, oder aber die US-Behörden sagten nicht die Wahrheit und stellten S. stattdessen eine Falle. Der bekennende USA-Fan konnte zunächst anstandslos einreisen, wurde dann jedoch bei der Rückreise auf dem Flughafen von Miami festgenommen. In einem Schreiben an Richter Sean Cox hatte S. die Verhaftung auf der Flughafentoilette als eines der "erniedrigendsten Erlebnisse" bezeichnet, das ihm je passiert sei. Hätte die Rückreise nach Deutschland geklappt, wäre er einer Strafe wohl entgangen. Die Bundesrepublik liefert Staatsbürger nicht aus - ein Umstand, den sich auch die fünf anderen Volkswagen-Manager zunutze machen, nach denen die US-Behörden weiterhin fahnden. Sie alle sind jedoch in einer prekären Situation: Wollen sie auf Nummer sicher gehen, können sie Deutschland im Grunde nicht mehr verlassen. Allerdings sind mittlerweile auch deutsche Behörden streng: Ein des Dieselbetrugs verdächtiger Ex-Audi-Vorstand sitzt in München in Untersuchungshaft.

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Quelle:
SZ vom 08.12.2017
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