Süddeutsche Zeitung

Videospiele:Zum Erfolg getanzt

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Epic Games hat mit dem Geschäftsmodell zu "Fortnite" die Branche revolutioniert. Die Nutzer zahlen erst ab einem bestimmten Level.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die Idee war derart haarsträubend, dass sie, wie erstaunlich viele haarsträubende Ideen, prächtig funktionierte. Der Videospiel-Hersteller Epic Games erzielte im vergangenen Jahr mit seinem popkulturellen Phänomen Fortnite einen Gewinn von mehr als drei Milliarden Dollar. Gewinn, nicht Umsatz - und das mit der Variante "Battle Royale", die kostenlos gespielt werden kann.

Das Geschäftsmodell "Free to Play" ist nicht neu, die meisten Leute kennen es bereits von anderen Spielen, die sie kostenlos aufs Handy laden und irgendwann feststellen, dass sie bei einem Level nicht mehr weiterkommen. Sie bezahlen dann für ein bisschen Hilfe, für eine kräftigere Spielfigur, für besseres Material, für interessantere Levels. Der Clou bei Fortnite: Alles, was da gekauft werden kann, Verkleidungen und Tänze und Fallschirme, bringt keine Vorteile im Spiel. Turner Tenney, bekannt unter dem Künstlernamen "Tfue", rühmte sich lange Zeit damit, kein Geld für Fortnite auszugeben und dennoch einer der besten Spieler der Welt zu sein.

Es war deshalb eine haarsträubende Idee des Herstellers Epic Games, weil theoretisch alle 250 Millionen Leute, die sich das Spiel mittlerweile heruntergeladen haben, ohne Bezahlung spielen könnten und damit dem Unternehmen heftige Verluste bescheren würden. Das Spiel wurde aber deshalb so erfolgreich, weil es zu einer eigenen Kultur geworden ist. Das sieht man sogar bei Fußballspielen. Fußballprofis bejubeln ein Tor mit Fortnite-Tänzen. Bei Fasching in Deutschland und Halloween in den USA tragen auffällig viele Kinder Fortnite-Kostüme.

Kommunikation von Kindern findet heutzutage größtenteils virtuell statt, das kann man mögen oder nicht. Videospiel-Plattformen sind deshalb das, was früher der Bolzplatz gewesen ist: ein Ort der Begegnung, zum Messen der Fähigkeiten und zum Erlernen sozialer Fähigkeiten. Was früher schicke T-Shirts, coole Fahrräder oder witzige Frisuren gewesen sind, das sind nun Fortnite-Tänze und -Kostüme. Deshalb wollen viele Kinder heutzutage kein echtes Taschengeld mehr, sondern stattdessen sogenannte "V-Bucks", die virtuelle Währung in Fortnite, die freilich echtes Geld kostet. Seltene und begehrte Produkte kosten bis zu 2000 V-Bucks, das sind umgerechnet 20 Euro.

Epic Games hat mit diesem Geschäftsmodell im vergangenen Jahr nicht nur drei Milliarden Dollar Gewinn erzielt, das Unternehmen hat außerdem über eine Finanzierungsrunde 1,5 Milliarden Dollar eingenommen und wird inzwischen mit 15 Milliarden Dollar bewertet.

Firmenchef Tim Sweeney hat nun angekündigt, dass er die Design-Software "Unreal Engine" nicht nur für Computerspiele nutzen möchte, sondern auch für Videoproduktionen und andere kreative Projekte - und dass er sie anderen Entwicklern kostenfrei zur Verfügung stellen und gar Stipendien verteilen will.

Das hört sich alles erst einmal nett an. Es hat aber freilich den Hintergrund, dass diese Firmen ihre Produkte möglichst über den Shop The Epic Games Store verkaufen sollen und nicht über die Plattformen von Apple, Google oder Valve. Den firmeneigenen Shop The Epic Games Store gibt es seit vier Monaten.

Das Unternehmen hat sehr viel Geld verdient mit dieser scheinbar haarsträubenden Idee, der wahre Gewinner indes scheint der chinesische Konzern Tencent zu sein. Der hält nicht nur 40 Prozent der Anteile von Epic Games, sondern hat auch in Riot Games ("League of Legends"), Activision ("Call of Duty") und Ubisoft ("Assassin's Creed") investiert. Derzeit verhandelt Tencent mit dem Hersteller Electronic Arts darüber, den Fortnite-Konkurrenten "Apex Legends" auf den chinesischen Markt zu bringen. Das ist eine Idee, die alles andere als haarsträubend ist.

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Quelle:
SZ vom 12.04.2019
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