Süddeutsche Zeitung

Restaurantkette:Diese Britin soll Vapiano retten

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Eigentlich sollte Vanessa Hall nie Chefin werden. Aber sie hat schon Erfahrung mit erfolgreichem Wachtum bei einer anderen Restaurantkette.

Von Nils Wischmeyer

Dass Vanessa Hall ab September die Chefin der Restaurant-Kette Vapiano wird, war so nie geplant. Doch nachdem der bisherige Vorstandschef Cornelius Everke nur drei Tage vor der Hauptversammlung abdankte, erklärte sich die gebürtige Britin und bisherige Aufsichtsratvorsitzende bereit, die Geschäfte bis mindestens April 2020 zu leiten. Einzige Voraussetzung dafür war ihre Wiederwahl auf der Hauptversammlung am Mittwoch, die als sicher galt.

Besonders viel Spaß, das zeigt sich an diesem Tag im Kölner Dorint Hotel, dürfte die Aufgabe nicht machen. Kein Lächeln huscht Hall übers Gesicht, stattdessen verschränkt sie die Arme vor ihrem knallorangenen Kleid und hört über Kopfhörer fast regungslos zu, was Aktionäre ihr und ihren Kollegen an den Kopf werfen. Die Expansionsstrategie ist gescheitert, der Verkauf des US-Geschäfts wankt, die Aktie hat rund 80 Prozent an Wert verloren. Kein Wunder: In Deutschland verdiente Vapiano rund zehn Prozent weniger, in Europa mehr als elf Prozent - und weltweit rund 25,3 Prozent weniger als noch im Vorjahr. Bei mehr als 370 Millionen Euro Umsatz blieb 2018 ein Verlust von 101 Millionen Euro. Von der einst großen Erfolgsgeschichte der deutschen Systemgastronomie ist wenig geblieben.

Hauptgrund dafür ist die Expansion nach Übersee, nach Australien beispielsweise oder in die USA. Zeitweise eröffnete Vapiano in drei Ländern gleichzeitig und baute das Geschäft mit Lieferdiensten weiter aus. Für den Konzern bedeutet das Schulden, für die Mitarbeiter Druck und für die Kunden langes Anstehen. Denn bei Vapiano warten die Gäste an der Theke und schauen zu, wie Köche ihre Pasta oder Salate zubereiten. Dauert das zwei oder drei Minuten länger, springen die Kunden ab und gehen in andere Restaurants.

Hall ist erst seit 2018 bei Vapiano

Vanessa Hall soll die Gastrokette nun wieder zu alter Größe führen. 1967 ist die neue Chefin im Norden von Großbritannien geboren. Ihre Karriere begann die Wirtschaftsprüferin bei BDO, bevor sie Ende der Achtziger zur Getränkefirma Bass Brewers wechselte. Dort war sie unter anderem für die Finanzen des Softdrinkhersteller Britvic zuständig. Ab Anfang der Zweitausender arbeitete sie für den Gastronomie-Konzern Mitchells & Butlers, einen der größten Betreiber von Restaurants und Pubs in Großbritannien. In eine Führungsposition rückte sie später bei der Gastronomiekette Yo! Sushi. Hall übernahm erst als Geschäftsführerin, dann als Chefin. Anders als bei Vapiano war die Expansion, die Hall dort vorantrieb, durchaus erfolgreich. Als der Eigentümer der Kette 2015 wechselte, stieg sie aus und kümmerte sich eigenen Angaben zufolge um ihre Familie.

Erst 2018 trat sie dem Aufsichtsrat von Vapiano bei, wurde zur Vorsitzenden und soll nun ab dem 1. September den bisherigen Vorstandsvorsitzenden ersetzen, der das Unternehmen aus persönlichen Gründen verlässt, wie es hieß. Wie Hall die zahlreichen Probleme lösen will, lässt sie am Mittwoch allerdings offen. Während ihr Vorgänger den Aktionären noch ausführlich erklären durfte, was man ändern wolle - von der Einführung eines Mittagsmenüs bis hin zur Reduktion der Speisekarten - redet Hall vor allen Dingen über sich.

Ihren Lebenslauf liest sie lediglich ab und sagt, sie habe eine Erfolgsgeschichte vorzuweisen. Zur Strategie der kommenden Monate äußert sie sich nur vage. Sie wolle die Komplexität verringern, den Service in den Restaurants wieder schneller machen und die Gastlichkeit verbessern. Konkrete Ansagen über die Zukunft des angeschlagenen Unternehmens gibt es nicht - genauso wenig wie Szenenapplaus. Die meisten Aktionäre dürften hoffen, dass stimmt, was sie zum Schluss sagt: "Meine Handlungen werden lauter sprechen als meine Worte."

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SZ vom 22.08.2019
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