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Studie zur Bezahlung:Nur jeder Zweite bekommt Urlaubsgeld

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Von Thomas Öchsner, München

Wer in einem Betrieb arbeitet, der sich nicht an Tarifverträge hält, bekommt oft auch kein Urlaubsgeld. So beziehen nur 36 Prozent der Beschäftigten ohne Tarifvertrag die Extra-Leistung. Bei Arbeitnehmern in tarifgebundenen Unternehmen sind es 71 Prozent. Dies geht aus einer Analyse des gewerkschaftsnahen WSI-Tarifarchivs der Hans-Böckler-Stiftung hervor. Dafür wurden die Angaben von mehr als 123 000 Beschäftigten ausgewertet. Knapp die Hälfte der Arbeitnehmer bekommt demnach einen Zuschuss zur Urlaubskasse - dies gilt aber nur für den Westen des Landes.

"Beschäftigte in Unternehmen ohne Tarifbindung sind gleich doppelt im Nachteil: In aller Regel liegen schon die Grundgehälter unter dem Tarifniveau, und zusätzlich fehlt ihnen ein tariflich verbriefter Anspruch auf Urlaubsgeld", sagt Thorsten Schulten, Leiter des WSI-Tarifarchivs. Dies gilt vor allem für Arbeitnehmer in den ostdeutschen Ländern. Nur gut ein Drittel hat hier Anspruch auf die Extra-Zulage, nicht nur wegen der geringen Tarifbindung im Osten. In Ostdeutschland haben sich auch weniger Großbetriebe angesiedelt und diese zahlen viel häufiger Urlaubsgeld als Kleinbetriebe mit weniger als 100 Mitarbeitern.

Zwischen 155 Euro und mehr als 2000 Euro sind für einen Durchschnittsverdiener drin

Laut der Untersuchung hängt die Höhe des tariflichen Urlaubsgelds stark von der Branche ab: Es reicht in der mittleren Vergütungsgruppe von 155 Euro (Landwirtschaft im Osten) bis zu 2450 Euro in der Holz- und Kunststoffindustrie. Die höchsten Zahlungen gibt es außerdem in der Metall- und Druckindustrie, in der Papierverarbeitung, im Kfz- und im Versicherungsgewerbe. Wenig Geld für die Urlaubskasse bekommen Beschäftigte im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie in der Süßwarenindustrie.

Im öffentlichen Dienst gibt es kein gesondertes Urlaubsgeld. Es wird mit dem Weihnachtsgeld zu einer Jahressonderzahlung zusammengefasst. Dies wirkt sich auch auf die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich aus. Dort erhält nur etwa ein Drittel der Mitarbeiter eine extra Leistung für den Urlaub, auch deshalb, weil sich ihre Arbeitsbedingungen an den im öffentlichen Dienst orientieren.

Auffällig ist auch der Unterschied zwischen Männern und Frauen: Etwa jeder zweite männliche Arbeitnehmer kann sich über Urlaubsgeld freuen. Bei den Frauen liegt der Anteil mit 41 Prozent deutlich darunter. "Hier kommt zum Tragen, dass in den Berufen mit einem hohen Männeranteil überdurchschnittlich häufig Urlaubsgeld gezahlt wird", sagt Experte Schulten. Hierzu zählen zum Beispiel die Ingenieurberufe und andere technische Berufe. Private Dienstleister, bei denen überwiegend Frauen arbeiten, zahlten hingegen seltener Urlaubsgeld. Am schlechtesten schneidet in dem Vergleich die Callcenter-Branche ab: Hier erhält nur etwa jeder Vierte Urlaubsgeld.

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Quelle:
SZ vom 28.05.2019
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