Süddeutsche Zeitung

Untersuchungshaft in Essen:Licht an und aus im Fall Middelhoff

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Von Hans Leyendecker

"Permanenter Schlafentzug" - oder nicht?

Das Ministerium hat am Donnerstag der Darstellung der Anwälte widersprochen, Thomas Middelhoff sei in der Justizvollzugsanstalt Essen bei nächtlichen Kontrollen permanent gestört worden.

Die Anwälte hatten, wie berichtet, in einem Schriftsatz an das für die Haftprüfung zuständige Oberlandesgericht Hamm erklärt, Middelhoff sei einem "permanenten Schlafentzug über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen" ausgesetzt gewesen, weil er nachts "alle fünfzehn Minuten geweckt wurde, sobald er für einige wenige Minuten eingeschlafen war". Schwere Erkrankungen von Middelhoff, der sich inzwischen wieder im Universitätsklinikum Essen befindet, seien möglicherweise auf den Schlafentzug zurückzuführen. Der 61-Jährige leide mittlerweile an einer seltenen Auto-Immunkrankheit. Er sei haftunfähig.

Das Justizministerium erklärte dazu, das Meldebuch belege, dass die Kontrollen im 15-Minuten-Takt vom 14. November bis 9. Dezember und am 18. und 19. Dezember lediglich aus einem Blick durch den Spion der Zellentür bestanden hätten. "Kein Bediensteter" habe den Haftraum zwischen 22 und 6 Uhr betreten. Die JVA Essen begründet die zeitweise engmaschige Sichtkontrolle mit angeblicher Suizidgefahr im Fall Middelhoff.

Unbestritten ist, dass die Justizvollzugsbeamten alle 15 Minuten das Licht in der Zelle angemacht haben, um von außen zu sehen, ob Middelhoff noch atmete.

Ein Fall mit vielen Merkwürdigkeiten

Der 61-Jährige war in einer 8,1 Quadratmeter großen Zelle untergebracht, deren Licht, anders als in anderen Zellen in Essen, nicht gedimmt werden konnte. Ob das Einschalten des Lichts mit Wecken gleichzusetzen ist oder nicht, steht dahin. Festzustehen scheint, dass Middelhoff nicht jede Viertelstunde durch Rütteln geweckt wurde. Aus seiner Sicht und aus Sicht seiner Anwälte war die nächtliche Störung allerdings eine "Tortur". Es wäre Middelhoff allerdings erlaubt gewesen, eine Schlafbrille zu tragen.

Der Fall Middelhoff weist viele Merkwürdigkeiten auf: Ein zuständiger Arzt hatte bei Einlieferung von Middelhoff in den Knast in einem "Medizinischen Verlaufsbogen" ausdrücklich vermerkt, dass keine Suizidgefährdung vorliege und dass es keinen Anhalt für ein depressives und suizidales Syndrom gebe.

Die Überwachung wegen angeblicher Suizidgefahr hatte der Vorsitzende der Kammer angeregt, der Middelhoff wegen Untreue und Steuerhinterziehung in Höhe von etwa einer halben Million Euro zu drei Jahren Haft verurteilt hatte. Eine ungewöhnlich hohe Strafe.

Der Bundesgerichtshof wird vermutlich erst in einigen Monaten über die Revision im Fall Middelhoff entscheiden.

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