Süddeutsche Zeitung

Marktmacht:EU-Kommission erlaubt Fusion von Vodafone und Unitymedia unter Auflagen

Lesezeit: 3 min

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Die EU-Wettbewerbshüter haben die Übernahme des Kölner Kabelanbieters Unitymedia durch den britischen Telekommunikationskonzern Vodafone unter Auflagen erlaubt. Die Bedingungen sollten sicherstellen, dass Kunden weiterhin von fairen Preisen, hochwertigen Dienstleistungen und innovativen Produkten profitieren könnten, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Donnerstag in Brüssel.

Das neue Unternehmen müsse unter anderem garantieren, dass einem Käufer - den Angaben zufolge Telefónica - Zugang zum Kabelnetz gewährt werde, um den Wettbewerbsdruck zu sichern. Zudem dürften die Gebühren für frei empfangbare Fernsehsender, die ihre Programme über das Kabelnetz von Vodafone in Deutschland übertragen, nicht erhöht werden.

Der Vodafone-Konzern hatte im Mai 2018 angekündigt, dass er den Konkurrenten Unitymedia in Deutschland sowie weitere TV-Kabelnetze in Osteuropa übernehmen möchte - für 18,4 Milliarden Euro. Es ist das größte Fusionsvorhaben, das der Telekommunikationsmarkt in Europa seit Jahren gesehen hat. Zusammen sind Vodafone und Unitymedia nun dabei, einer der größten Anbieter von Telefonie, Festnetz-Internet und Fernsehen in Deutschland zu werden.

Kabel-TV ist - gemeinsam mit Satellit - noch immer die beliebteste Empfangsart in Deutschland, gut 17 Millionen Haushalte nutzen es. Vodafone ist mit 7,6 Millionen Kunden hierzulande schon heute der größte Kabelnetzbetreiber. Allerdings ist der Konzern bislang weder in Nordrhein-Westfalen, noch in Baden-Württemberg oder Hessen als Fernsehanbieter vertreten. Dort besitzt Unitymedia die Kabelnetze - und erreicht damit 6,3 Millionen Haushalte. Betrachtet man nur den Markt für Kabelfernsehen, kommen beide Anbieter zusammen auf einen Anteil von etwa 80 Prozent.

Das bereitet vielen Fernsehsendern Sorgen. Sie fürchten, dass sie die sogenannten Einpeise-Gebühren des fusionierten Konzerns wohl oder übel akzeptieren müssten, wenn sie ihr Programm per Kabel verbreiten wollen. Kaum ein Sender will auf diesen Ausstrahlungsweg verzichten. Nach einem Zusammenschluss wäre "jeder deutsche Fernsehanbieter gänzlich abhängig von Vodafone/Unitymedia", warnte etwa RTL in einem Positionspapier. Der Fusionsplan berge "erhebliche Gefahren für die Medienvielfalt in Deutschland", kritisierte der Verband Privater Medien. Aus Sicht der Kritiker kommt erschwerend hinzu, dass Kabelanbieter ganze Mietshäuser anschließen; viele Mieter bezahlen das Kabel-TV monatlich über ihre Nebenkosten und haben deshalb kaum einen Anreiz, ihren Fernsehanbieter zu wechseln. Wohnungsunternehmen hätten nach dem Zusammenschluss viel weniger Auswahl, kritisierte der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW).

Die EU-Kommission schreibt nun vor, dass der Konzern die Einspeise-Gebühren nicht erhöhen darf. Zuvor hatte Vodafone bereits angekündigt, dass der Konzern das auch nach der Übernahme nicht tun werde. Vodafone wolle auch keine eigenen Inhalte produzieren oder Exklusivrechte - etwa für Fußballspiele - kaufen, "die wir dann für viel Geld einer kleinen Gruppe zugänglich machen", dementiert Vodafone-Deutschlandchef Hannes Ametsreiter entsprechende Spekulationen. Er verweist darauf, dass sich der TV-Konsum in Deutschland allmählich ändere: Vor allem junge Menschen schauen Sendungen in Mediatheken oder nutzen Streamingdienste wie Netflix, statt klassisch über Kabel fernzusehen. Ähnlich umstritten ist die Frage, ob der Fusionsplan gut oder schlecht für den Wettbewerb ums schnelle Internet in Deutschland ist: Immer mehr Kunden nutzen ihren Kabelanschluss auch zum Surfen und Telefonieren, als Alternative zum Festnetz der Deutschen Telekom.

Wettbewerber fürchten eine Situation mit zwei Marktführern, die alle anderen an den Rand drängen könnten

Zusammen mit Unitymedia wäre Vodafone klar der zweitgrößte Festnetz-Anbieter in Deutschland. Der Konzern hätte erstmals in allen Bundesländern ein eigenes Festnetz, mit dem er der Telekom Konkurrenz machen könnte. Vodafone will diese Kabelanschlüsse in den kommenden Jahren für Download-Geschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde aufrüsten. Dann wären die Leitungen in der Spitze viermal so schnell wie die meisten Anschlüsse der Telekom.

Wettbewerber fürchten jedoch, dass mit dem Zusammenschluss ein Duopol auf dem hiesigen Telekommunikationsmarkt entstehen könnte: eine Situation mit zwei Marktführern, die alle anderen an den Rand drängen könnten. Diese anderen sind etwa der Anbieter 1&1, der Leitungen der Telekom anmietet und weitervertreibt, sowie die Firma Tele Columbus, die unter der Marke Pÿur Kabelnetze in Berlin und Ostdeutschland betreibt. Hinzu kommen Unternehmen wie M-net aus München oder Netcologne aus Köln, die regionale Glasfasernetze aufbauen.

Vodafone muss sein fusioniertes Kabelnetz nun für den Anbieter Telefónica ("O2") öffnen, was der Konzern zuvor gegenüber der EU-Kommission auch angeboten hatte. Dieser Konkurrent könnte dann TV-Kabel von Unitymedia anmieten und eigene Verträge für Internet, Telefon und Fernsehen abschließen. Mithin könnten Kunden zumindest aus zwei Kabelanbietern wählen. Allerdings würde auch dieses Kompromissangebot keinen einzigen neuen Breitbandanschluss in Deutschland schaffen, kritisierte die Telekom.

Bislang hatten Wettbewerbshüter Fusionen auf dem hiesigen Kabelmarkt kritisch gesehen. Beispielsweise hatte Kabel Deutschland im Jahr 2004 schon einmal versucht, die Netze in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen aufzukaufen. Der Konzern scheiterte damals am Veto des Bundeskartellamts. Vodafone hatte Kabel Deutschland schließlich 2013 übernommen. Diesmal hingegen hat nicht das Kartellamt, sondern die EU-Kommission den Fusionsplan geprüft, da dieser auch Geschäfte in Rumänien, Tschechien und Ungarn umfasst.

Mit Material von dpa

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