Süddeutsche Zeitung

Umbau von RWE:Ausgepowert

Lesezeit: 3 min

Von Markus Balser, Berlin

Gläserne runde Doppelfassade, natürliche Belüftung, Energie aus Tageslicht: Der fast 130 Meter hohe Turm der RWE-Zentrale am Essener Opernplatz sollte eigentlich mal für die Zukunft des Milliardenkonzerns stehen. Er war eines der ersten Öko-Gebäude der Republik - und das höchste im Ruhrgebiet. "Power Tower" nennen sie den Sitz des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns sinnigerweise in Essen. Doch was eigentlich als Symbol der Stärke gedacht war, wurde zuletzt zu einem Symbol der Schwäche.

Denn RWE geht in so großem Tempo die Energie aus, dass der Konzern vor einigen Monaten auch noch die noble Adresse samt Nebengebäuden an einen US-Investor verkaufen musste. Seither wird über noch weitreichendere Veränderungen auch in der RWE-Zentrale spekuliert. Am Montag kam die Gewissheit: RWE-Chef Terium kündigte am Nachmittag den Totalumbau seines Unternehmens an. Bei einer vertraulichen Aufsichtsratssitzung hatte der Niederländer zuvor den 20 Kontrolleuren seine Pläne unter dem internen Titel "Parent" vorgelegt. Angesichts eingebrochener Gewinne will Terium mit dem Sparprogramm das undurchsichtige Geflecht von 100 Tochtergesellschaften bis Anfang 2017 abschaffen und Dutzende Töchter zusammenlegen oder ganz auflösen. Insgesamt fallen den Plänen zufolge 32 Töchter weg.

Der Aufsichtsrat beschloss zudem, die bisherige Chefetage in Form einer abgehobenen Holding abzuschaffen und in eine Gesellschaft umzuwandeln, in der Vorstände für ihre Sparten direkt zuständig sind. Für den Traditionskonzern bedeutet das einen radikalen Kulturwandel. Bisher existieren bei RWE Teilgesellschaften und Gremien nebeneinander, oft mit Führungsstäben, eigenen Vorständen und allein zehn Aufsichtsräten in Deutschland. Alle tagen, beschließen, protokollieren - ein gewaltiger Bürokratieaufwand für ein Not leidendes Unternehmen. Das soll sich ändern: 60 Prozent der Aktiengesellschaften und 30 Prozent der GmbHs sollen künftig abgeschafft werden. Damit fallen auch sieben der bislang zehn Aufsichtsratsgremien weg. Die Zentrale soll so an Einfluss gewinnen und Bereiche wie Vertrieb und Netze künftig direkt führen.

Der Umbau könnte Unruhe auslösen

RWE, so Teriums Marschroute, soll schneller auf Veränderungen der Branche reagieren können, vor allem bei den erneuerbaren Energien.

Was technisch klingt, könnte allerdings das sorgsam austarierte Machtgefüge bei RWE ins Wanken bringen und gewaltige Unruhe auslösen. Der Konzern, der schon Tausende Jobs abgebaut hat, könnte weitere Stellen streichen. RWE rechnet allein durch den Wegfall der Gesellschaften mit Einsparungen in zweistelliger Millionenhöhe. Auch Eigentümer sehen den Umbau skeptisch. Städte wie Oberhausen, Bochum, Bottrop, Essen, Dortmund, Duisburg und Gelsenkirchen sind direkt an RWE beteiligt. Sie erhalten Jahr für Jahr mehrere Hundert Millionen Euro Dividende und bestanden auf dem Einfluss durch jene Gesellschaften, die RWE nun teilweise auflösen will. Auf Widerstand im Gewerkschaftslager dürfte stoßen, dass der Sparkurs des Konzerns offenkundig in der höchsten Führungsetage nicht gilt. Denn während das Unternehmen weiter schrumpft, soll die Vorstandsetage wachsen. Das bisher vierköpfige Gremium wird auf insgesamt sieben erweitert.

Seit fast zehn Jahren kämpfen die deutschen Versorger wie Eon, Vattenfall, RWE und EnBW nun schon gegen den Bedeutungsverlust. Seit dem beschleunigten Atomausstieg nach Fukushima ist daraus 2011 eine ernste Branchenkrise geworden, die langfristig auch die Existenz der Versorger infrage stellt. Der schnelle Ausbau grüner Energien lässt konventionelle Kraftwerke immer häufiger stillstehen. Auch in den kommenden Jahren werden Dutzende weitere Anlagen überflüssig.

Auch Konkurrent Eon plant einen spektakulären Umbau

Bei keinem der deutschen Energiekonzerne ist die Lage derzeit jedoch so ernst, wie bei dem 1898 gegründeten Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk. Der Aktienkurs von RWE war zuletzt regelrecht abgestürzt. Die Papiere notierten am Montag bei nur noch 20 Euro. Ende 2007 lagen sie noch bei fast 100 Euro. RWE ist an der Börse heute gerade mal noch etwa elf Milliarden Euro wert. Angesichts der Krise droht ein Teufelskreis: Für Investitionen in neue Geschäftsfelder fehlen RWE die Mittel. Denn neben sinkenden Gewinnen lastet auch ein gigantischer Schuldenberg von 28 Milliarden Euro auf dem Unternehmen. RWE folgt mit dem Umbau dem spektakulären Beispiel von Eon. Der Versorger vollzieht Ende des Jahres die Teilung in einen grünen Zukunftsteil - Ökostrom und Netze - und einen schwarzen Teil - das Geschäft mit Kohle, Gas und Atom. Eon will diese neue Firma unter dem Namen Uniper teils an die eigenen Aktionäre verschenken und teils an die Börse bringen. RWE hingegen behält das traditionelle Kraftwerksgeschäft vorerst. Es bleibt aber im Gegensatz zu vielen bisherigen Töchtern eine rechtlich eigenständige Gesellschaft. Dies dürfte Spekulationen anfeuern, dass auch RWE die renditeschwachen Kraftwerke später abspalten könnte.

Die mauen Geschäfte deutscher Stromkonzerne hatten zuletzt in der Politik immer wieder Zweifel geweckt, ob die Konzerne nach dem Atomausstieg noch für den Rückbau und die Endlagerung ihrer nuklearen Hinterlassenschaft aufkommen können. Insgesamt gut 35 Milliarden Euro haben die vier Betreiberkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW dafür bislang an Rückstellungen gebildet. Sie stecken häufig in Beteiligungen an anderen Unternehmen oder an Kraftwerken. Letztere wiederum leiden stark unter den gefallenen Börsenpreisen für Strom.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2602207
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.08.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.