Süddeutsche Zeitung

Tippspiel des US-Investors:Milliarden-Basketball-Wette mit Warren Buffett

Lesezeit: 4 min

Rekord-Jackpot von US-Investor Warren Buffett: Wer alle 64 Partien eines US-Basketball-Turniers richtig tippt, bekommt eine Milliarde Dollar. Doch ganz egal, ob das einem Teilnehmer gelingt - die wahren Gewinner des Wahnsinns werden andere sein.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der Wahnsinn hat begonnen. "March Madness" nennen die Amerikaner diese drei Wochen, in denen Universitäten die beste Mannschaft im Basketball suchen. Studenten gegen Studenten, die kein Geld mit ihrem Sport verdienen, sondern nur Stipendien erhalten. Dennoch geht es bei dem Amateurturnier um viel Geld. Denn bei keinem Sportereignis wird in den USA derart exzessiv gewettet wie beim College-Basketball. Am 20. März beginnt die Hauptrunde mit 64 Teams, am 7. April wird das Finale in der Football-Arena der Dallas Cowboys ausgetragen.

In diesem Jahr ist der Wahnsinn noch ein bisschen wahnsinniger als sonst. Das liegt an einem Tippspiel des Finanzunternehmens Quicken Loans aus Detroit, das der Milliardär Warren Buffett über seine Firma Berkshire Hathaway rückversichert hat. 15 Millionen Menschen dürfen teilnehmen und die insgesamt 63 Partien tippen - wer alle richtig vorhersagt, bekommt eine Milliarde Dollar.

Ja, eine Milliarde. Für 63 richtige Tipps. Der Sieger erhält entweder 40 Jahre lang einen Scheck über jeweils 25 Millionen Dollar oder kann sich gleich 500 Millionen Dollar ausbezahlen lassen. Sollte am Ende niemand einen perfekten Wettschein vorweisen, bekommen die 20 besten Mitspieler immerhin jeweils 100.000 Dollar.

Pseudowissenschaftliche Studien zum perfekten Tipp

"Das ist ein Riesenspaß", sagt Buffett, der offenbar auch keine Angst davor hat, dass tatsächlich jemand gewinnen könnte. "Ich habe schon mehr Geld auf einen Schlag verloren, beim Hurrikan Katrina waren es drei Milliarden Dollar an einem Tag. Stellen Sie sich nur vor, dass beim Finale nur noch ein Teilnehmer mit einem bis dahin perfekten Tippschein übrig ist. Den lade ich zu diesem Spiel ein und bringe einen Scheck mit - wir werden nur wahrscheinlich unterschiedliche Mannschaften anfeuern."

Seit Montag sind die Anmeldungen möglich, die Teilnahme ist kostenlos. Seitdem diskutieren Basketballfans, Statistiker und Stochastiker: Ist es denn wirklich so schwierig, 63 Partien richtig vorherzusagen? Schließlich geht es nicht ums Ergebnis, sondern nur um Sieg oder Niederlage. Unentschieden gibt es nicht.

Die Berechnung der Gewinnchance auf die Milliarde wirkt zunächst einleuchtend - und dann ernüchternd: Würde man zufällig tippen, dann wäre es, als würde man versuchen, beim Roulette vorherzusagen, ob bei den nächsten 63 Runden die Kugel auf einem roten oder schwarzen Feld landet. Die Wahrscheinlichkeit, das hinzubekommen: 1: 9.223.372.036.854.775.808.

Nur - Partien beim Basketball werden nicht im Casino entschieden, sondern auf dem Parkett. Es gibt Favoriten und Außenseiter - und gerade in den ersten Runden gab es in den vergangenen Jahren nur wenige Überraschungen. 64 Mannschaften nehmen an der Hauptrunde teil, sie werden auf vier Regionen mit jeweils 16 Teams verteilt und entsprechend ihrer Bilanz in der regulären Saison gesetzt. In der Geschichte des Turniers hat noch nie eine an Platz 16 gesetzte Universität ein Erstrunden-Spiel gewonnen - weshalb es für einen Tipper durchaus Sinn macht, auf den Favoriten zu wetten. Es gibt inzwischen zahlreiche wissenschaftliche und pseudowissenschaftliche Studien, wie ein perfekter Tipp auszusehen habe.

Ezra Miller ist Professor für Mathematik an der Duke University, er hat durch eine Analyse der Ergebnisse vergangener Jahre sowie das Einbeziehen knapper Spiele und die Wahrscheinlichkeit von Überraschungen errechnet, dass ein Basketball-Experte die Chance auf den Hauptgewinn verbessern kann. Auf etwa eins zu eine Milliarde. "Wenn ich Warren Buffett wäre, dann würde ich die Versicherung übernehmen, wenn ich dafür mehr als 15 Millionen Dollar bekommen würde", sagt er. "Ich würde es natürlich nicht machen, wenn ich danach ruiniert wäre - aber das ist bei Buffett ja nicht der Fall." Buffetts Vermögen wird auf knapp 53 Milliarden Dollar geschätzt.

Das führt direkt zu der Frage, wer von diesem Tippspiel denn nun wirklich profitiert. Weder Quicken-Loans-Gründer Dan Gilbert (sein Vermögen: 3,7 Milliarden) noch Berkshire Hathaway wollen die Versicherungsprämie verraten, Buffett sagt nur: "Dan behauptet wahrscheinlich, dass sie zu hoch ist - ich sage, dass sie zu niedrig ist." Laut Branchenexperten dürfte sie im niedrigen zweistelligen Millionenbereich liegen. Wenn niemand alle Spiele richtig vorhersagt, kann Buffett diese Summe als Gewinn verbuchen.

Quicken Loans muss - egal, ob nun jemand den Hauptpreis abräumt oder nicht - lediglich die Versicherungsprämie bezahlen sowie die zwei Millionen für die 20 besten nicht perfekten Tippscheine. Das Unternehmen zahlt diesen Preis allerdings nicht in bar aus, sondern als Unterstützung für einen Hauskauf oder für Renovierungsarbeiten. Beim Anmelden werden die Teilnehmer aufgefordert, nicht nur Wohnort, Telefonnummer und E-Mail-Adresse zu nennen - sondern auch noch ein paar Frage zu beantworten: ob man bald ein Haus kaufen möchte, ob man derzeit Kredite bedienen müsse, und ob man denn gerne von einem Quicken-Loans-Mitarbeiter per Telefon über attraktive Optionen informiert werden wolle. Das Tippspiel ist also nicht nur Werbung für Quicken Loans. Das Kreditunternehmen bekommt auch noch die Daten von 15 Millionen potenziellen Neukunden.

"Denen mache ich ein Angebot, das sie nicht ablehnen können"

Und es gibt natürlich noch Yahoo, das für die Technik des Tippspiels verantwortlich ist und von den Teilnehmern ebenfalls Daten sammelt - und ihnen bei der Anmeldung gleich eine Yahoo-E-Mail-Adresse verpasst. Die 15 Millionen erwarteten Teilnehmer werden während der drei wahnsinnigen Märzwochen mehrmals am Tag die Ergebnisse auf der Tippspielseite überprüfen. Und die ist mit Werbung geradezu zugepflastert.

Es ist also eine Win-win-win-Situation für die Unternehmen, das weiß Buffett aus Erfahrung. Bereits vor elf Jahren war er an einem ähnlich verrückten Spiel beteiligt. In den Deckeln von Softdrink-Flaschen waren Nummern vermerkt, ein Affe zog die Gewinnzahlen. Auch damals war die mögliche Gewinnsumme eine Milliarde Dollar - jedoch konnte damals niemand einen Deckel mit den korrekten Zahlen vorweisen.

Was aber passiert, wenn diesmal tatsächlich jemand Glück hat und bis zum Halbfinale alle Partien richtig vorhersagt? "Denen mache ich ein Angebot, das sie nicht ablehnen können", sagt Buffett. Er will diesen Mitspielern mehrere Millionen anbieten, damit sie ihren Wettschein an Buffett verkaufen. Doch selbst wenn einer dieses Angebot ausschlagen und am Ende eine Milliarde Dollar bekommen sollte, gäbe es noch einen weiteren Sieger: das amerikanische Finanzministerium. Erträge bei dieser Art Tippspiel sind steuerpflichtig.

Der Gewinner müsste mehr als 394 Millionen Dollar ans Finanzamt überweisen.

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SZ vom 06.03.2014
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