Süddeutsche Zeitung

Telekom:Der Klang des Kunden

Lesezeit: 2 min

Die Telekom will mit Stimmerkennung das Passwort ersetzen. Dies solle mindestens so sicher wie herkömmliche Passwörter sein, verspricht das Unternehmen. Die Testergebnisse werden jedenfalls immer besser.

Von Max Ferstl, München

Ein Anruf im Kundenservice kann zermürbend sein. Das erste Hindernis, die Warteschleife, mag noch einfach zu überwinden sein, auch wenn man sich für unbestimmte Zeit bei fragwürdiger Musik gedulden muss. Wird man endlich zu einem Mitarbeiter durchgestellt, würde man gern gleich sein Anliegen vortragen, ein Vertrag soll gekündigt, ein verschollenes Paket gefunden werden. Doch stattdessen wartet eine zweite, kniffligere Hürde: Der Anrufer muss sich ausweisen. Manchmal genügt dafür ein Geburtsdatum, im schlimmsten Fall ist eine mehrstellige Kundennummer gefordert. Die hat man als Durchschnittskunde aber eher selten im Kopf, höchstens eine Ahnung, wo die Nummer stehen könnte. Die Suche nervt. Und das ursprüngliche Problem, von dem man noch immer nicht weiß, ob es der Mitarbeiter lösen kann oder will - Hürde Nummer drei - muss warten.

Inzwischen gibt es eine Alternative, die schneller, einfacher und mindestens so sicher wie herkömmliche Passwörter sein soll, das verspricht zumindest die Deutsche Telekom. Seit einem halben Jahr müssen sich ihre Kunden nicht mehr zwingend über eine zehnstellige Kundennummer oder ein Passwort identifizieren, es genügt, einen Satz drei Mal zu wiederholen: "Bei der Telekom ist meine Stimme mein Passwort." Dann identifiziert eine Software die Person anhand ihrer Stimme. Voice-Biometrie heißt die Technik, für die sich mehr als 200 000 Kunden registriert haben. Das ist zwar nur ein Bruchteil der 44 Millionen Mobilfunk- und 19 Millionen Festnetzkunden, aber bei der Telekom gehen sie davon aus, dass das Interesse zunimmt. Bis Ende des Jahres soll schon eine Million Kunden die Technik nutzen.

Das dürfte sich lohnen. Die Technik verkürzt das Beratungsgespräch. Interne Erhebungen hätten ergeben, dass pro Authentifizierung 20 Sekunden gespart würden. "Natürlich ist auch Wirtschaftlichkeit ein wichtiger Aspekt", teilt eine Sprecherin mit. Je mehr Kunden mitmachen, desto mehr Zeit und Geld spart sich das Unternehmen. Bevor die Erkennung funktioniert, muss man einen Stimmprobe hinterlegen. Die Software misst mehr als einhundert Merkmale, Sprechrhythmus, Stimmhöhe, Akzent. Aus den Parametern wird ein Zahlenwert errechnet, "der so einzigartig wie ein Fingerabdruck ist", heißt es.

Stefan Goetze vom Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie klingt allerdings nicht ganz so euphorisch: "Es ist eine Technologie, bei der man sich des Risikos bewusst sein muss." Bisher habe er zumindest noch kein System gesehen, das jede Stimme richtig erkennt. Dass sich der Mechanismus durchaus überlisten lässt, führte vor zwei Jahren der BBC-Journalist Dan Simmons vor. Er rief bei der britische Bank HSBC an und imitierte die Stimme seines Zwillingsbruders Joe. Die HSBC-Bank hatte ebenfalls angegeben, hundert Merkmale zu messen, dennoch kam Dan an Joes Konto heran. Es entstand kein Schaden, aber für die Bank war es ein peinlicher Zwischenfall. Und Kritiker der Technologie sahen sich bestätigt. Die Telekom teilt mit, dass ein vergleichbarer Fall "ausgeschlossen" sei. Experten hätten "die Täuschungsresistenz" des Systems nachgewiesen.

Fest steht: Die Ergebnisse bei Tests werden immer besser. "Die Stimmerkennung steht an der Schwelle", glaubt Goetze. Zwar ist ihm kein anderes großes deutsches Unternehmen bekannt, das sie einsetzt. Aber das dürfte sich ändern. Die Vorteile lägen auf der Hand, sagt er: "Man kann viele Prozesse vereinfachen." Es komme allerdings sehr darauf an, für welche Zwecke die Stimme das Passwort ersetzt. "Für das Kundencenter ist die Technik prädestiniert." Selbst wenn sie mal versagen sollte, dürfte kaum allzu großer Schaden entstehen. Goetze sagt aber auch: "Ich würde mit der Stimme nicht mein Bankkonto oder meine Haustür sichern."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4348872
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 01.03.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.