Süddeutsche Zeitung

Spielzeug:Krieg der Steine: Lego wird immer brutaler

Lesezeit: 2 min

Von Jan Schmidbauer

Das dänische Unternehmen Lego kennt fast jeder. Kinder, weil sie mit den bunten Steinchen spielen. Erwachsene, weil sie früher damit gespielt haben. Oder, weil sie heute Morgen, gleich nach dem Aufstehen, wieder auf einen dieser winzigen, aber scharfkantigen Bauklötze getreten sind. Das kann schmerzhaft sein, dennoch gilt Lego den meisten Menschen als harmloses und außerordentlich friedliches Spielzeug.

Forscher aus Neuseeland sind nun jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass Lego-Steine als Kriegsgerät genutzt werden. In Kinderzimmern. Ein regelrechtes "Wettrüsten" sei dort entbrannt. Der Lego-Stein, eine gefährliche Waffe? Rüstungsexporte aus Dänemark quasi? Ganz so dramatisch ist es nicht. Aber die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass die Produkte mehr Gewalt darstellen als früher. Das Fazit ihrer Studie, die sie im Online-Journal Plos One veröffentlichten: In Lego-Bausätzen gibt es immer mehr Waffen. "Die Lego-Produkte sind nicht so unschuldig, wie sie es früher einmal waren", fasst der Wissenschaftler Christoph Bartneck von der Universität Canterbury die Studie zusammen.

In 30 Prozent aller Lego-Baukästen stecken heute Waffen

Für diese durchsuchten die neuseeländischen Forscher Lego-Kataloge von 1973 bis 2015. Nach ihren Angaben stecken heute in 30 Prozent der Baukästen Waffen. Bei den Katalogen sei die Entwicklung noch drastischer. 40 Prozent aller Katalogseiten enthielten irgendeine Form von Gewalt. "Insbesondere die Szenarien, in denen es um Schießereien geht oder um bedrohliches Verhalten, haben über die Jahre deutlich zugenommen", sagt Bartneck. Er hatte bereits im Jahr 2013 eine Studie über die Gesichter der Lego-Figuren erstellt. Auch die fiel eher missmutig aus. Das Ergebnis damals: Die Lego-Männchen gucken immer finsterer.

Mit dem Hang zur Bewaffnung steht das dänische Unternehmen jedoch nicht alleine da. Den Forschern zufolge folgt Lego vielmehr einem allgemeinen Trend im Kinderzimmer. Im Kampf um die Aufmerksamkeit ihrer jungen Kunden seien auch die anderen Spielzeughersteller in einem "metaphorischen Rüstungswettlauf um neue aufregende Produkte gefangen".

Ein größeres Lego-Waffenarsenal, "um die Welt zu retten"

Vor zwölf Jahren wäre Lego beinahe pleite gegangen. Der Spielwarenproduzent hatte sich mit Lego-Kleidung und Lego-Themenparks verzettelt und zudem der elektronischen Konkurrenz zu lange zu wenig entgegengesetzt. Die Firma erfand sich daraufhin neu: Sie begann, Themenbaukästen zu Kinokassenschlagern wie etwa Star Wars, Batman und Harry Potter anzubieten und sich mehr auf ihr Kerngeschäft, die Steinchen, zu fokussieren. Inzwischen geht es Lego wieder deutlich besser, im vergangenen Jahr wuchs das Unternehmen zum elften Mal in Folge.

Dass Lego inzwischen ein größeres Waffenarsenal hat, dementiert das Unternehmen nicht. Die Veränderungen in der Produktpalette will es aber nicht missverstanden sehen. Waffen würden bei Lego für ein "größeres Ziel" eingesetzt, sagt ein Unternehmenssprecher. "Um die Welt zu retten", beispielsweise. In der Produktpalette von Lego gehe es schließlich nicht nur um Fantasie, sondern auch um Konflikte und um Streitereien. Und so etwas, heißt es aus dem Unternehmen, sei nun einmal ein ganz normaler Teil der kindlichen Entwicklung.

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SZ vom 24.05.2016
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