Süddeutsche Zeitung

Silicon Valley:Plötzlich verwundbar

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Lange schien es, als könnte nichts die Tech-Giganten bremsen. Das ändert sich. Auf Probleme reagieren die Börsen zunehmend nervös - beim jüngsten Kurssturz von Facebook & Co. wurden Milliarden vernichtet.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Als der Online-Bestelldienst Amazon im vergangenen Jahr die US-Supermarktkette Whole Foods übernahm, da sah sich mancher Industriemanager alter Schule in seiner Sorge bestätigt, dass das Ende nah ist. Nicht nur, dass Tech-Firmen mit ihren Plattformen und Apps die Geschäftsmodelle traditioneller Branchen ins Wanken brachten. Nun also setzten sie sogar selbst einen Fuß in die alte Welt und griffen die Platzhirsche des analogen Zeitalters dort an, wo diese es am wenigsten vermutet hatten: auf den Geschäftsstraßen und in den Ladenzeilen der Innenstädte. Niemand, so schien es, konnte der Lawine aus dem Silicon Valley entkommen.

Heute, nur wenige Monate später, ist die Nachrichtenlage eine völlig andere. Nicht die Probleme ergrauter Riesen wie General Electric und Walmart beherrschen die Schlagzeilen, es sind vielmehr Facebook, Amazon, Tesla und Intel, die mit massiven Kursverlusten an den Börsen von sich reden machen. Das soziale Netzwerk Facebook soll Nutzerdaten veruntreut und Hasspredigern bei der Beeinflussung der US-Wahl von 2016 geholfen haben. Amazon steht unter Dauerbeschuss von Präsident Donald Trump, der dem Konzern vorwirft, die staatliche Post als "Botenjungen" zu missbrauchen und kaum Steuern zu zahlen. Der Elektroautobauer Tesla bekommt seine Produktionsprobleme nicht in den Griff, dem Chip-Riesen Intel droht der wichtigste Kunde abhanden zu kommen. Die Aktien aller vier Unternehmen brachen zuletzt so stark ein, dass binnen weniger Tage Börsenwerte von weit mehr als 100 Milliarden Dollar vernichtet wurden.

Streng genommen haben die Probleme der einzelnen Firmen nichts miteinander zu tun - und doch gibt es eine Gemeinsamkeit: Alle vier Fälle zeigen, dass die Tech-Giganten des 21. Jahrhunderts keineswegs unverwundbar sind, ja, dass sie im Gegenteil mit zunehmender Größe und Bedeutung in Schwierigkeiten geraten, wie man sie von den Industriekonzernen früherer Jahrzehnte nur zu gut kennt. So zeigt sich etwa bei Tesla, dass es zwar leicht ist, ein paar schnittige, hochpreisige Sportwagen zu verkaufen. Der Aufbau einer effizienten, kostengünstigen Massenproduktion hingegen ist ungleich schwieriger.

Bislang hielt die Branche meist fest zusammen - auch das gilt nicht mehr

Bei Facebook und Amazon kommt hinzu, dass beide Firmen mittlerweile so groß sind, dass sich nicht nur vermeintlich technologieferne Analog-Politiker mit ihnen auseinandersetzen, sondern auch Kartell-, Steuer-, Arbeitsmarkt- und sogar Ethik-Experten. Die Zeiten, in denen die Konzerne steuerliche und regulatorische Schlupflöcher nutzen und sich damit herausreden konnten, dass sie für die Dinge, die auf ihren Plattformen passieren, nicht verantwortlich sind, gehen unabhängig von den konkreten aktuellen Problemen zu Ende.

Wie groß die Nervosität in der Tech-Industrie ist, zeigt sich daran, dass die Top-Manager der Branche den Amazon-Kollegen Jeff Bezos bisher kaum gegen die wiederholten Attacken Trumps in Schutz genommen haben. Auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der wegen des Daten-Skandals vor Parlamentsausschüssen in aller Welt aussagen soll, wurde nicht etwa von einer Solidaritäts-, sondern im Gegenteil von einer Kritikwelle erfasst. So setzte sich etwa Apple-Boss Tim Cook öffentlich von ihm ab und verwies darauf, dass er das Geschäft mit Nutzerdaten, wie Facebook es betreibt, schon immer abgelehnt habe.

Dabei war die Branche in der Vergangenheit durchaus zusammengerückt, wenn Druck von außen aufkam: Als die US-Bundespolizei FBI etwa Apple zwingen wollte, die verschlüsselten Daten eines iPhones preiszugeben, sprangen Google, Facebook und Microsoft dem Konzern zur Seite. Solcherlei Corps-Geist aber kann oder will sich die Branche in Zeiten zunehmender Probleme offenkundig nicht mehr leisten.

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Quelle:
SZ vom 04.04.2018
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