Süddeutsche Zeitung

Kohlebergwerk in Australien:Ein GAU für die Reputation von Siemens

Lesezeit: 2 Min.

Siemens-Chef Joe Kaeser inszeniert sich gern als Vorkämpfer einer klimafreundlichen, moralischen Wirtschaft - im eigenen Laden ist seine Botschaft offenbar nicht angekommen.

Kommentar von Thomas Fromm

In der Klimadebatte ist dies immer noch eines der Hauptargumente vieler Manager: dass es in der Wirtschaft eben viele unterschiedliche Interessen gebe. Die der Aktionäre, der Kunden und dann eben noch der Gesellschaft. Das klingt dann, als würden Aktionäre und Kunden nicht zur Gesellschaft gehören. Dabei ist es in Wahrheit doch so: Wenn in Australien die Natur abbrennt, sollte das eigentlich auch Aktionäre und Kunden interessieren.

Im Grunde also gibt es nur ein Interesse, das gemeinsame. Siemens-Chef Joe Kaeser steckt nun in der Falle. Er muss Interessen gegeneinander abwägen, die kaum abwägbar sind. In die Falle hat sich der Konzern selbst hineinmanövriert. Ohne schweren Schaden an seinem Ruf kommt Siemens nicht mehr aus dieser Geschichte heraus.

Das Dilemma Kaesers: Hätte er jetzt die Lieferung seiner Zugsignalanlage für ein höchst umstrittenes Kohlebergwerk in Australien storniert, wäre der Ruf des Konzerns bei seinen Auftraggebern schwer belastet. Wer aus bereits unterschriebenen Verträgen aussteigt, hat es künftig schwerer, neue Aufträge an Land zu ziehen. Kaeser will sich vieles nachsagen lassen, aber nicht, dass er unzuverlässig ist. Denn Unzuverlässigkeit kann dem Geschäft schwer schaden.

Nun also hält der Konzernchef, der selbst gerne über die gesellschaftliche und moralische Verantwortung von Konzern und Managern spricht und sich selbst als einen der führenden Manager der Energiewende sieht, an dem Projekt fest. Angesichts des verheerenden Flächenbrandes in Australien ist das der GAU für die Reputation von Siemens. Ein Konzern, der durchaus auch mal Aufträge in Milliardenhöhe bekommt, ist nun wegen eines 18-Millionen-Euro-Geschäfts in der Schusslinie.

Siemens hätte problemlos auf den Deal in Australien verzichten können

Das ist das eigentliche Tragische daran: Siemens hätte problemlos auf den zweifelhaften Deal in Australien verzichten können. Er ist, verglichen mit dem, was der Konzern sonst so macht, sehr klein. So klein, dass sich nicht einmal der Vorstand selbst damit beschäftigt hatte. Zurück kann er nun nicht mehr. Dem Konzern stehen jetzt heftige Proteste bevor - wegen 18 Millionen Euro, wohlgemerkt.

Das Sendungsbewusstsein des Siemens-Chefs ist groß, wenn es darum geht, seine Botschaften in die Welt hinauszutwittern. Aber diese Botschaften sind intern offenbar noch nicht angekommen. Warum sonst hätten Regionalmanager im fernen Australien jenen Vertrag abgeschlossen, von dem sie besser die Finger gelassen hätten? Es ist sinnlos, in der Öffentlichkeit als Vorkämpfer für Nachhaltigkeit aufzutreten, wenn die eigenen Leute Geschäfte machen, die nicht nachhaltig sind. Die Botschaft, die der Siemens-Chef dringend an seine 385 000 Mitarbeiter senden muss: Angesichts des immer sichtbarer werdenden Klimawandels gibt es Verträge, die geschäftlich Sinn vielleicht ergeben mögen - die man aus moralischer Sicht aber nicht mehr unterschreiben sollte.

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