Süddeutsche Zeitung

Schwarzarbeit:"Krebsgeschwür der Baubranche"

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Die illegale Tätigkeit ist zwar in den vergangenen Jahren etwas gesunken, aber sie bleibt ein großes Problem in Deutschland. Erstaunlich ist, dass sie immer noch als Kavaliersdelikt betrachtet wird.

Von Detlef Esslinger, Berlin

In Deutschland wird pro Jahr für bis zu 340 Milliarden Euro schwarzgearbeitet - das entspricht 11,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zu diesem Ergebnis kommt Friedrich Schneider, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Linz, in einem Gutachten für die Bundesvereinigung Bauwirtschaft. In den vergangenen fünf Jahren habe die Schwarzarbeit aber etwas abgenommen. Der Grund dafür: die gute Konjunktur und die gesunkene Arbeitslosigkeit.

Schwarzarbeit lässt sich naturgemäß nur schwer messen; Wissenschaftler wie Schneider behelfen sich daher mit Schätzmethoden und mit Befragungen. An Letzteren ist vor allem eines interessant: wie wenige Schwarzarbeiter sich einer Befragung entziehen. Nach Schneiders Angaben beträgt die Verweigerungsquote nur noch 0,8 Prozent. 1974, als er anfing, lag sie bei 36 Prozent. Als Forscher erleichtert ihm dies die Arbeit, als Staatsbürger findet er es bedenklich: Schwarzarbeit werde allgemein als Kavaliersdelikt betrachtet, als etwas, das doch "alle tun". Also sinke auch die Scheu, sich dazu zu bekennen.

Die 11,6 Prozent, die Schneider ermittelt hat, werden von ihm als Maximalwert bezeichnet. Er hat daher in einer weiteren Rechnung berücksichtigt, dass Schwarzarbeiter ja auf legalem Weg Material kaufen und dass nicht immer zu unterscheiden ist, was schon Schwarzarbeit und was noch Do-it-yourself-Arbeit ist. Aber auch dann kommt er noch auf einen Wert, der 7,45 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht.

Die Branche, in der es die meiste Schwarzarbeit in Deutschland gibt, ist das Baugewerbe - deshalb war es die Bundesvereinigung Bauwirtschaft, die das Gutachten in Auftrag gab. Ihr Vorsitzender Karl-Heinz Schneider sagte bei dessen Vorstellung, Schwarzarbeit sei das "Krebsgeschwür der deutschen Bauwirtschaft". Fürs Baugewerbe hat sein Namensvetter, der Ökonomieprofessor Schneider, einen jährlichen schwarzen Umsatz von 129 Milliarden Euro geschätzt. Die Hotel- und Gaststättenbranche sowie das Kfz-Gewerbe kommen demgegenüber nur auf jeweils 57,7 Milliarden Euro, die Unterhaltungs- und Vergnügungsbranche auf 44,2 Milliarden und die "Sonstigen" auf 51 Milliarden Euro. Darunter fallen vor allem die haushaltsnahen Dienstleistungen: wenn ein Frisör, eine Putzfrau, ein Babysitter zu den Leuten kommt.

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SZ vom 02.06.2017
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