Süddeutsche Zeitung

Finanzpolitik:Genug gebremst?

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Corona kommt den Staat teuer zu stehen. Die Frage ist: Wie soll in Zukunft mit der Schuldenbremse umgegangen werden?

Von Henrike Roßbach, Berlin

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hat einen Testballon steigen lassen, der vor allem in seiner eigenen Partei Aufregung auslöst: "Die Schuldenbremse ist in den kommenden Jahren auch bei ansonsten strenger Ausgabendisziplin nicht einzuhalten", schrieb Braun im Handelsblatt. Er schlägt deshalb "begrenzt für die kommenden Jahre" eine Grundgesetzänderung vor. Die soll einen "degressiven Korridor für die Neuverschuldung" festlegen und ein Datum für die Rückkehr zur bisherigen Schuldenregel.

Dass dieser Vorschlag gerade in der Union als ziemlich gewagt bewertet wird, liegt daran, dass die Schuldenbremse gerade in CDU und CSU als eine der ganz großen wirtschaftspolitischen Errungenschaften der vergangenen Jahre gilt - und als unantastbar betrachtet wurde. Und eigentlich war der Plan von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), die Schuldenbremse 2022 wieder einzuhalten.

Die damalige Föderalismuskommission hatte die Schuldenbremse 2009 beschlossen, sie gilt seit dem 1. Januar 2011. Festgeschrieben ist sie in Artikel 109 des Grundgesetzes: "Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen." Die Länder dürfen gar keine neuen Schulden machen, für den Bund gilt im Zuge der Schuldenbremse eine niedrige Neuverschuldungsgrenze, die in Artikel 115 festgelegt ist: Die strukturelle Neuverschuldung des Bundes darf demnach 0,35 Prozent des nominalen Bruttoinlandsproduktes nicht überschreiten. Damit ist der von der konjunkturellen Lage unabhängige Verschuldungsspielraum für den Bund abgesteckt. Konjunkturelle Schwankungen werden aber berücksichtigt: In schlechten Zeiten vergrößert sich der Spielraum für Kredite, geht es wieder bergauf, muss die Nettokreditaufnahme sinken.

Überschritten werden dürfen die Kreditobergrenzen mit Zustimmung des Bundestags nur im "Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen". Genau dieser Passus kam nun in der Corona-Krise zum Tragen.

Das Ziel der Schuldenbremse ist es, langfristig tragfähige Haushalte sicherzustellen - und dem Staat letztlich einen größeren finanziellen Handlungsspielraum zu ermöglichen. Vereinfacht gesagt: Solange die Schuldenlast hoch ist, verschlingt die Tilgung dieser Kredite Haushaltsmittel, wodurch wiederum weniger Geld da ist für Investitionen oder die Entlastung von Bürgern und Unternehmen. In der jetzigen Krise wurde die Regierung nicht müde zu betonen, dass all die Hilfspakete nicht möglich gewesen wären ohne die sparsame Haushalts-und vorsichtige Schuldenpolitik der vergangenen Jahre. Da diese zu einer deutlichen Verringerung der Staatsverschuldung geführt hat, sieht sich Deutschland nun in der Lage, zu guten Konditionen Kredite aufzunehmen.

Bis zur Corona-Krise war es Bund, Ländern und Gemeinden in der Tat gelungen, die deutsche Staatsverschuldung deutlich zu senken. Eigentlich wäre laut den Stabilitätskriterien für die Euro-Länder höchstens ein Schuldenstand von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zulässig, doch auch Deutschland konnte diese Quote viele Jahr lang nicht einhalten. 2019 gelang es erstmals wieder seit 2002, die 60-Prozent-Grenze zu unterschreiten. Dann kam Corona.

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