Süddeutsche Zeitung

Datenschutz:Heftige Kritik an Schufa-Plänen

Lesezeit: 3 min

Die Schufa will die Konten der Deutschen durchleuchten - das sorgt für Widerstand. SPD-Chef Walter-Borjans sagt: "Das geht nicht." Verbraucherschützer denken jetzt über rechtliche Schritte nach - und der Telefonanbieter O2 hat bereits eine erste Testphase aufgekündigt

Von Nils Wischmeyer, Köln

Die Schufa muss für ihre Pläne, künftig die Konten der Deutschen zu durchleuchten, von vielen Seiten Kritik einstecken. Deutschlands oberster Verbraucherschützer, Klaus Müller, sieht in dem Vorhaben der Auskunftei die "Gefahr des vollkommen durchleuchteten Verbrauchers". Ein Blick auf die Kontoauszüge der Menschen, "würde der Schufa tiefe Rückschlüsse auf Persönlichkeit, wirtschaftlichen Status und selbst politische Orientierung der Kunden ermöglichen", kritisiert er.

Müller fürchtet, dass die Schufa nicht auf die wahre Tragweite des Zugriffs hinweisen werde. "Die Datenschutzbehörden sollten deshalb dringend prüfen, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht", sagt er - und droht: "Sollte die Schufa die Pläne umsetzen, werden wir rechtliche Schritte prüfen, um dagegen vorzugehen."

Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung hatten gezeigt, dass die Schufa die Kontoauszüge der Deutschen durchstöbern will und die gesammelten Daten offenbar auch zur Bewertung der Bonität von Verbrauchern heranziehen will. Daraus könnte eine Art Superscore entstehen. Immerhin verrät ein Konto extrem viel über einen Menschen und seine Lebensumstände, beispielsweise das Gehalt, ob er Unterhalt zahlt, wie hoch seine Strom- und Gasrechnung ist, ob er in Online-Casinos spielt oder wie oft er sich Wellness gönnt. All das wären Daten, die die Schufa über einen Kontoeinblick gewinnen könnte, vorausgesetzt der Nutzer stimmt dem scannen und speichern dieser Daten freiwillig zu.

Wie die Schufa an die Daten gelangen könnte, zeigt ein Test mit dem Telefonanbieter O2: Der richtet sich zunächst an Menschen mit einem schlechten Schufa-Score, bei denen die Auskunftei also davon ausgeht, dass sie Probleme bekommen könnten, ihre Rechnungen zu bezahlen. Sie können sich aufs Konto gucken lassen für eine zweite Chance. Haken sie zudem ein zusätzliches, freiwilliges Kästchen auf der Internetseite an, willigen sie ein, dass die Schufa ihre Daten zwölf Monate speichern darf - und daraus theoretisch einen Score entwickeln könnte. Mittlerweile hat O2 den Test offiziell beendet, will das Verfahren der Schufa nicht mehr nutzen. Offiziell hieß es: "Die Ergebnisse dieses Tests haben unsere Erwartungen leider nicht erfüllt."

Parteiübergreifende Kritik

Die Auskunftei betont zwar, dass sie in der Testphase keine Daten speichere. Doch Verbraucherschützer, Datenschützer und Politiker betrachten die Pläne auch parteiübergreifend als äußerst kritisch. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte beispielsweise: "Ich halte es für ein obskures Geschäftsmodell, Menschen, die unter Druck stehen, per Mausklick die Zustimmung abzunehmen, ihre gesamten Kontoauszüge einzusehen." Gehe es um die Bekämpfung von Steuerbetrug, sei das Bankgeheimnis heilig, aber Menschen in prekären Lagen sollten ihre Kontoauszüge präsentieren, vergleicht er. "Das geht nicht", so Walter-Borjans.

Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende sieht es ähnlich: "Ich habe den Eindruck, dass die Schufa hier auf dem Weg ist zur Datenkrake am Finanzmarkt und das Geschäftsmodell immer stärker auch im Sammeln von sehr vielen Kontodaten beruht", sagt er. "Ich halte es für eine gefährliche Entwicklung." Schick befürchtet, dass gerade das Umfeld eines potenziellen Handyvertrags die Leute dazu verleite, auch schnell noch ein Häkchen zu setzen, dessen Konsequenzen sie womöglich gar nicht realisieren.

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae sieht besonders Probleme, wenn sich ein solcher Service zum Standard etablieren sollte. "Wenn Bürger am Ende nur durch die Einwilligung in diese Datenverarbeitung durch die Schufa einen Handy- oder Mietvertrag abschließen können, haben sie faktisch keine freie Wahl mehr. Wenn die Einwilligung nicht verweigert werden kann, ohne einen Nachteil in Kauf nehmen zu müssen, ist diese nicht freiwillig. Das ist Zwang mit Samthandschuhen."

Noch einen Schritt weiter geht Linken-Politikerin Zaklin Nastic. Sie sieht in den Plänen der Schufa "eine Eskalation des Schufa-Systems. Sie birgt - neben der Datenschutzseite - für Verbraucherinnen und Verbraucher auch neue Risiken, eine schlechte Schufa-Bewertung zu bekommen. Wer bisher bei der Schufa unauffällig war, könnte dann aus einer ,unpassenden' Überweisung einen Strick gedreht bekommen", fürchtet die Bundestagsabgeordnete und verspricht: "Wir werden gegen diese Pläne Sturm laufen, darauf kann sich die Schufa gefasst machen."

Die Schufa veröffentlichte zum Testlauf eine Pressemitteilung. Darin heißt es, die Einwilligung für "Schufa Check Now" sei ebenso wie die weitere Verarbeitung von Daten freiwillig. Eine Datenverarbeitung der Kontoauszüge finde zudem nur statt, "wenn der Verbraucher - und zwar ausdrücklich und unabhängig von der eigentlichen Dienstleistung - eine gesonderte Einwilligung" erteile. Während des Testlaufs speichere sie darüber hinaus gar keine Daten.

Auf die Veröffentlichung der Recherche reagierte die Auskunftei mit einer Stellungnahme. Darin heißt es, man würde nur eine Bonitätsauskunft an Dritte weitergeben. "Dies bedeutet für den Verbraucher einen deutlich besseren Schutz seiner sensiblen Daten." Und weiter: "Mit der freiwilligen Speicherung der Daten bei der Schufa kann der Verbraucher weitere zukünftige Kontozugriffe durch Dritte vermeiden."

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