Süddeutsche Zeitung

Schottland:Wie der Brexit schottischen Whisky bedroht

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Von Christian Zaschke, London

Der britische Schottland-Minister David Mundell hat an diesem Donnerstag einen der erfreulicheren dienstlichen Termine: Er besucht die Insel Islay (sprich: Eila), auf der 3500 Menschen und 30 000 Schafe leben. Islay, westlich vom schottischen Festland gelegen, ist die südlichste Insel der Inneren Hebriden und von einer Schönheit, die nur Menschen mit steinernem Herzen nicht berührt.

Vor allen Dingen ist Islay bekannt dafür, Heimat einiger der besten Whiskybrennereien der Welt zu sein. Der herrliche Bruichladdich wird dort gebrannt, der erhabene Lagavulin, der göttliche Ardbeg.

Minister Mundell wird das Vergnügen haben, eine Destillerie zu besichtigen, und es wäre sehr verwunderlich, wenn ihm nicht mindestens ein klitzekleiner Probierschluck angeboten würde. Anschließend werden ihm Vertreter der schottischen Whisky-Industrie erzählen, was sie gerade umtreibt.

Whisky ist ein enormer Wirtschaftsfaktor in Schottland. Es gibt 115 lizenzierte Destillerien, in deren Lagern 20 Millionen Fässer liegen. Die schottische Whisky-Industrie generiert jährlich gut vier Milliarden Pfund für die britische Wirtschaft, 4,5 Milliarden Euro. Auch kulturell spielt das Getränk eine bedeutende Rolle. Schließlich ist Schottland das Land, dessen Nationaldichter Robert Burns einst deklamierte: "Freedom an' whisky gang thegither" - Freiheit und Whisky gehören zusammen.

Nur ein Jahr im Fass?

Derzeit besteht jedoch in Schottland die leise Sorge, dass sich der Brexit negativ auf den florierenden Whisky-Handel auswirken könnte. Die EU hat klar geregelt, welche Kriterien ein Getränk erfüllen muss, damit es sich Whisky nennen kann - wichtig sind hier Qualitätsstandards und nicht die Herkunft, geschützt werden Whiskys aus Schottland ebenso wie solche aus Irland (wo das Getränk sich wie in den USA "Whiskey" schreibt) oder Spanien. Der schottische Wirtschaftsminister Keith Brown hat sich nun an London gewandt und gefordert, dass diese Regeln nach dem Austritt aus der EU in britisches Recht übernommen werden.

Brown befürchtet, dass nach dem Austritt beim Abschluss neuer Handelsabkommen Kompromisse nötig werden. Zum Beispiel hätten die USA in Gesprächen bereits angedeutet, dass sie eine Aufweichung der strengen Definition befürworten. Laut EU-Regeln muss ein Whisky mindestens drei Jahre lang in einem Holzfass lagern. Amerikanischer Whiskey muss hingegen lediglich ein Jahr reifen, kann also günstiger hergestellt werden.

Brown sagt, wenn die EU-Regeln nicht übernommen würden, öffne das den Markt für Produkte, "die nicht dem derzeitigen Standard entsprechen". Das wiederum könne Arbeitsplätze gefährden. 10 000 Menschen arbeiten direkt in der Industrie, weitere 10 000 hängen als Zulieferer von ihr ab. Mehr als eine Milliarde Flaschen werden jährlich abgefüllt, von denen gut 90 Prozent ins Ausland gehen.

Selbstverständlich lassen es sich die Schotten bei aller Exportfreude nicht nehmen, ein paar Flaschen ihres Nationalgetränks höchstselbst zu leeren. Nach Angaben der Regionalregierung trinken Schotten im Schnitt zwölf Liter reinen Alkohols pro Kopf und Jahr - und damit zwei Liter mehr als die übrigen Bürger des Vereinigten Königreichs.

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Quelle:
SZ vom 03.08.2017
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