Süddeutsche Zeitung

Steuergerechtigkeit:Wohin jetzt das schmutzige Geld fließt

Lesezeit: 3 min

Von Bastian Brinkmann, München

Wo kann man sein Vermögen am besten vor dem Finanzamt verstecken? Wo kann man seine Einkünfte aus Waffenschiebereien und Menschenhandel am besten bunkern, und wo Gewinne aus verbotenen Finanzgeschäften verschleiern? Das Netzwerk Steuergerechtigkeit hat sie unter Beobachtung. Die Aktivisten analysieren, welches Land noch zu wenig gegen kriminelle Geschäfte macht.

Der neue Report des Netzwerks zeigt: Deutschland und die Schweiz haben Finanzverbrechern das Leben zuletzt etwas erschwert, jedoch fließt mehr Geld in die Steueroase Caymans. Die karibische Inselgruppe landet auf Platz eins im sogenannten Schattenfinanzindex der Organisation, bislang stand dort die Schweiz. Auf Platz zwei bleiben die USA. Um zu betonen, dass in Steueroasen nicht nur klassische Steuerhinterzieher aktiv sind, sondern auch andere Kriminelle, nutzen die Aktivisten den Begriff des Schattenfinanzsektors. Ihr Fazit fällt gemischt aus: Insgesamt klassifizieren sie sieben Prozent weniger Wirtschaftsaktivitäten als grenzüberschreitende Schattenfinanzwirtschaft im Vergleich zu 2018, aber in den USA, Großbritannien und den Caymans ist der Schattenfinanzsektor wiederum gewachsen. "Der Anstieg der Finanzexporte der Caymans dürfte zum größten Teil auf Investmentfonds und Vermögensverwalter aus den USA zurückgehen, die kombinieren hier riesige Vermögen mit minimaler Regulierung, minimaler Besteuerung und maximaler Anonymität", sagt Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergerechtigkeit.

Deutschland ist in der Gunst der Steueraktivisten gestiegen

Je geheimer Finanzgeschäfte möglich sind, desto schöner für die Privatsphäre, aber desto größer aber auch das Missbrauchspotenzial. Diese Abwägung will das Netzwerk Steuergerechtigkeit Richtung Transparenz verschieben, indem sie im Schattenfinanzindex Länder an den Pranger stellt, die aus ihrer Sicht nicht genug im Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung machen. In dem Netzwerk und international im "Tax Justice Network" haben sich verschiedene Gruppen zusammengeschlossen, die ähnliche Ziele in der Steuerpolitik verfolgen. Die Arbeit hinter dem Schattenfinanzindex - welche Gesetze hat welches Land ent- oder geschärft - ist ausführlich auf der Internetseite des Netzwerks dokumentiert. Der neue Report aktualisiert den bisherigen mit Stand Anfang 2018.

Warum Deutschland in der Gunst der Steueraktivisten gestiegen? Sie loben besonders das neue Transparenzregister, in dem deutsche Firmen hinterlegen müssen, wer eigentlich von ihrem Geschäft am Ende finanziell profitiert. Vor zwei Jahren landete die Bundesrepublik im Ranking noch in den Top 10, nun auf Platz 14. Natürlich reicht das den Aktivisten nicht. Vor allem der deutsche Immobiliensektor ziehe immer noch kriminelles Geld an, warnen sie und mahnen mehr Transparenz an. Es fehle ein "zentrales und öffentlich zugängliches Register der Immobilieneigentümer", bemängelt Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Die Aktivisten weisen außerdem auch darauf hin, dass 2020 von Außen überprüft wird, wie gut Deutschland den Kampf gegen Geldwäsche tatsächlich auch umsetzt. Das übernimmt ein internationales Gremium, die Financial Action Task Force (FATF).

Die Schweiz kommt ebenfalls etwas besser weg. Sie nimmt an einem internationalen System teil, über das Informationen über Kontoinhaber automatisch ans das Heimatland gemeldet werden. Wer wie früher ein schlichtes Schweizer Nummernkonto einrichtet, um das Finanzamt auszutricksen, kann damit potenziell rasch auffliegen. "Das berühmten Bankgeheimnis existiert noch, aber der Übergang zum automatischen Informationsaustausch hat begonnen, diese Geheimhaltung auszuhöhlen", heißt es im Länderbericht.

Die USA landen traditionell im Schattenfinanzindex weit oben auf, weil so viele Geldgeschäfte über die USA abgewickelt werden: Wall Street und Dollar sind in der Finanzindustrie zentral, in der legalen und in der illegalen. Außerdem gibt es einige US-Bundesstaaten, die auf Briefkastenfirmen setzen, die hoch geheim und völlig anonym sind, besonders auffällig sind Delaware, Nevada und Wyoming.

Die Caymans sind dagegen etwas geheimer geworden und daher auf Platz eins gerutscht. Beispielsweise wurde eine neue Rechtsform für Firmen eingeführt, die Cayman LLC, die die Aktivisten kritisch sehen. Als Überseegebiet unterstehen sie teilweise dem Vereinigten Königreich und können sich teilweise eigene Regeln geben - ein Zwischenraum, den viele kleine Steueroasen nutzen. Hedgefonds und die Versicherungsindustrie nutzen gerne Niederlassungen auf den Caymans, auch verschieben US-Konzerne Gewinne hierhin, um sie nicht versteuern zu müssen. Der Report verweist aber auch darauf, dass selbst die Caymans einige Dinge verbessert haben. Sie wollen auf Geldwäscheanfragen von Behörden nun innerhalb von 48 Stunden reagieren, haben die Geldstrafen bei Verstößen gegen Finanzgesetze erhöht und versprochen, 100 neue Mitarbeiter einzustellen, um die verschärften Regeln durchzusetzen.

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Quelle:
SZ vom 19.02.2020
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