Süddeutsche Zeitung

Russland:Börsenboom in Moskau

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Die Aktien stehen so hoch wie lange nicht - an der Wirtschaft liegt es nicht.

Von silke Bigalke, Moskau

Dem russischen Aktienmarkt geht es so gut, wie seit Jahren nicht mehr. Der russische Aktienindex RTS, der in Dollar berechnet wird und als internationaler Vergleichswert gilt, stand Anfang Juli so hoch wie zuletzt im Sommer 2014. Der RTS umfasst die 50 größten russischen Unternehmen, die an der Moskauer Börse gelistet sind, allen voran der Erdgaskonzern Gazprom. Der in Rubel notierte Moex-Index, der ähnlich zusammengesetzt ist, zeigt einen noch deutlicheren Aufwärtstrend und steht so hoch wie nie zuvor.

An einer starken russischen Wirtschaft kann das allerdings nicht liegen, denn die wächst seit Jahren besorgniserregend langsam. Vielmehr dürfte helfen, dass sich der Rubelkurs seit Jahresanfang leicht erholt hat und der Erdölpreis gestiegen ist. Zudem hat vor allem der Wert der Gazprom-Aktie im Mai einen deutlichen Sprung nach oben gemacht. Grund dafür dürfte eine Überraschung für die Aktionäre gewesen sein, die sich jahrelang mit denselben acht Rubeln Dividende zufrieden geben mussten: Im Mai schlug die Unternehmensleitung vor, die Ausschüttung auf 16,6 Rubel zu erhöhen. Damit erfüllt Gazprom zwar noch lange nicht die Forderung des russischen Finanzministeriums, dass staatlich kontrollierte Konzerne die Hälfte ihres Reingewinns in Dividenden auszahlen müssen - was dem Staatshaushalt ebenso hilft, wie den Investoren. Die Nachricht ließ die wichtigste Aktie im Index dennoch nach oben schnellen.

Und noch etwas ist anders: Die Angst der Investoren vor neuen Sanktionen gegen Moskau scheint abzunehmen. Vor allem die Strafmaßnahmen aus den USA gegen Einzelpersonen und russische Unternehmen wegen der Annexion der Krim 2014, wegen des Krieges in der Ukraine, der russischen Einmischung in Syrien und in den US-Wahlkampf, haben Investoren vorsichtig gemacht. Die Sanktionsrunde im Frühjahr 2018 etwa hat noch deutlichere Spuren an der Moskauer Börse hinterlassen. Damals kam etwa der russische Unternehmer Oleg Deripaska auf die Sanktionsliste, Gründer des Aluminiumherstellers Rusal. Erst als Deripaska die Kontrolle über Rusal abgab, wurden die Sanktionen gegen das Unternehmen aufgehoben.

Seither hat es weitere Sanktionsrunden gegeben, Washington und Brüssel haben Strafmaßnahmen gegen Russland verlängert. Der Mueller-Bericht zur Beeinflussung des US-Wahlkampfes hat zunächst für Entspannung in Moskau gesorgt. Und die Konflikte der USA mit Iran und China lassen Investoren in Moskau hoffen, dass Russland vorerst keine neuen Sanktionen drohen. Trotzdem bleiben sie vorsichtig: Der RTS-Index ist Anfang Juli zwar zum ersten Mal seit fünf Jahren auf mehr als 1400 Punkte geklettert, vor der Finanzkrise 2008 war er aber doppelt so hoch.

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Quelle:
SZ vom 11.07.2019
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