Süddeutsche Zeitung

Reform-Liste der griechischen Regierung:Taktieren in Zwangslage

Lesezeit: 2 min

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Liste "hinreichend vollständig", um Hilfe zu verlängern

Ein weiterer Akt im Drama um das hochverschuldete und von der Zahlungsunfähigkeit bedrohte Griechenland ist beendet: Die Reformagenda aus Athen ist in Brüssel angekommen. "Um Mitternacht herum" sei sie da gewesen, berichten EU-Diplomaten am Dienstagmorgen. Die deutsche Bundesregierung war noch genauer: Um 23:32 Uhr sei das Dokument eingegangen - überpünktlich sozusagen. Bewerten wollte Deutschland die Liste aber nicht, im Gegensatz zu den EU-Diplomaten: Sie sei "hinreichend vollständig", um den Prozess zur geplanten Verlängerung des Kreditprogramms "in Gang zu halten".

Die Regierung des linkspopulistischen Premiers Alexis Tsipras lege den Schwerpunkt auf die Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung. Bis April müsse die Agenda vervollständigt und umgesetzt werden. So weit die offizielle Version.

Sie führt dazu, dass am Dienstagnachmittag die Finanzminister der Euro-Länder auf einer Telefonkonferenz beraten, ob sie sich dem Urteil anschließen und die Reformagenda abnicken. Wenn ja, und das wird erwartet, werden dann bis Freitag einige nationale Parlamente noch über die Verlängerung beraten, darunter der Bundestag. Wenn am Freitagabend alle Euro-Länder formal zugestimmt haben, wird das bisher am 28. Februar auslaufende Kreditprogramm um vier Monate verlängert. In der Zeit sollen alle Auflagen des Programms erfüllt und eine Anschlussvereinbarung verhandelt werden. Nur, wenn die Auflagen erfüllt sind, fließen die noch vereinbarten Gelder in Höhe von rund 15 Milliarden Euro.

Der Entwurf wurde ständig umgeschrieben

Die Griechen hatten aus dem Versenden der Reformagenda, die Voraussetzung für die Verlängerung des Kreditprogramms ist, in den vergangenen Tagen erneut ein respektables Dramolett gemacht. Zunächst wechselten zahlreiche Entwürfe zwischen der EU-Kommission und der Regierung in Athen, um sicherzustellen, dass die Reformagenda auch aus Sicht der Euro-Partner zu akzeptieren sein könnte.

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis bewies erneut sein spielerisch-taktisches Talent und gab zahlreiche Interviews in verschiedenen Medien, die letztendlich alle Beteiligten verwirrten. Erst war die Liste schon am Montag in Brüssel, dann sollte sie am Dienstag kommen, inzwischen ist sie "nahe Mitternacht" angekommen. Tatsächlich wurde ständig umgeschrieben, nachgebessert, abgestimmt.

Tsipras befindet sich in einer Zwangslage

Für deutsche Zuschauer mag dies wieder ein Beweis sein, dass die Griechen vor allem zocken. Tatsächlich befindet sich Tsipras in einer kritischen Lage. Der linke Flügel seines Bündnisses Syriza wirft ihm vor, vor den Euro-Partnern eingeknickt zu sein und droht, die Zustimmung zu verweigern. Andererseits erwarten die Euro-Partner handfeste Zusagen. Die Zwangslage verstärkt der leere Staatshaushalt - an diesem Dienstag könnte Athen schon gezwungen sein, finanzielles Krisenmanagement zu betreiben.

Der von Varoufakis erzeugte Nebel diente also vor allem dazu, Tsipras zu unterstützen und die Regierung zu sichern. Ganz normales europäisches Tagesgeschäft also.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2364865
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.