Süddeutsche Zeitung

Raumfahrt:Feuermelder am Himmel

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Mit eigenen Satelliten will das Münchner Start-up Ororatech Waldbrände aufspüren, weltweit und rund um die Uhr.

Von Dieter Sürig, München

Es gibt wohl wenige Start-ups, die von Corona-bedingten Einschränkungen profitieren. Die Münchner Firma Orbital Oracle Technologies, kurz Ororatech, hat im Lockdown unter Beweis stellen können, was sie kann. Das 2018 gegründete Start-up ist allerdings nicht im medizinischen Bereich unterwegs, sondern über den Bäumen dieser Erde - und dies auch nur im übertragenen Sinne: Ororatech beobachtet Wälder über Satellitenbilder, um Waldbrände möglichst früh zu entdecken.

Und da die junge Firma gerade weltweit dabei ist, ihr Angebot zu demonstrieren, kam es im Frühjahr zu einem vierwöchigen Test in Chile. Dort stehen 160 Türme, um eine Million Hektar Wald zu überwachen, wie Mitgründer Thomas Grübler, 28, erzählt. Wegen des Lockdowns konnten die Türme nicht besetzt werden. "Die haben unsere Daten genutzt, und wir haben dadurch bis zu 30 000 Dollar Schäden verhindert." Für den Österreicher ein Erfolg, der ihm einen Folgeauftrag einbrachte.

Grübler ist Elektrotechniker, Raumfahrt und Start-ups haben ihn schon immer interessiert. Bereits während seines Studiums an der TU München (TUM) war er an einem studentischen Satellitenprojekt beteiligt. Insgesamt vier Gründer sitzen nun mit 20 Mitarbeitern in einem Technologiezentrum im Münchner Norden. Über eine Schüssel auf dem Dach gelangen Satellitendaten der Raumfahrtagenturen Esa, Nasa oder auch der Wettersatelliten von Eumetsat in die Ororatech-Rechner. Die Kunden bekommen dann automatisch für ihren Bereich Brandwarnungen per E-Mail.

"Wir wollen der Erste sein, der Brände erkennt", sagt Grübler. Konkurrenten von Ororatech sind Beobachtungstürme oder Drohnen und Flugzeuge, die im Sommer ihre Runden drehen. "Das kann sich vielleicht eine Papierfabrik leisten, aber kein normaler Waldbesitzer". Beispiel Kalifornien: Ein Drohnensystem würde für den Bundesstaat das Gleiche kosten wie Satelliten für die ganze Welt. "Und man hat viel weniger Wartungsaufwand und weniger rechtliche Probleme dahinter."

Grübler hat trotz der Fülle an Satellitenbildern allerdings noch ein Problem: Sie decken die Erde nicht rund um die Uhr ab. "Derzeit erkennen wir Feuer mit maximal sechs bis zwölf Stunden Verzögerung". Bilder für die wichtigen Nachmittagsstunden, in denen die Temperaturen oft am höchsten sind und viele Feuer ausbrechen, gibt es nicht. Das heißt: Aktuelle Satellitendaten könnten bestehende Alarmsysteme zwar ergänzen, aber nicht ersetzen. Das reicht den Gründern nicht - denn je später der Brand gelöscht werden kann, desto größer wird der Schaden.

Ororatech will deswegen ein eigenes Satellitennetz aufbauen, zunächst mit 14 Einheiten, um den Nachmittag abzudecken. Langfristiges Ziel ist jedoch eine Flotte von 100 bis 200 Kleinsatelliten im niedrigen Erdorbit - Cubesats in der Größe 30 mal zehn mal zehn Zentimeter mit einer kleinen Wärmebildkamera, auf die das Team ein Patent hat. "Damit wollen wir Waldbrände durchschnittlich im 30- bis 60-Minutentakt auf der ganzen Welt erkennen können", sagt Grübler. Er rechnet damit, dass ein Satellit zunächst bis zu 500 000 Euro kosten wird - inklusive Start. Einen ersten Test soll es im kommenden Jahr geben, gefördert mit einem britischen Programm. Wer später die Satelliten baut, ist noch unklar, doch wollen die Gründer Kerntechnologien wie Kamera und Bildbearbeitung im Haus behalten.

Insgesamt 1,6 Millionen Euro an Investments und Förderungen stecken bereits in dem Unternehmen

Die Cubesats haben nach Angaben Grüblers eine Lebensdauer von fünf Jahren und müssen dann ersetzt werden. Das Aufkommen an Weltraumschrott soll sich deswegen aber nicht erhöhen, versichert er. So würden die Satelliten, die auf 500 bis 600 Kilometern Höhe operieren, in zehn bis 20 Jahren in der Erdatmosphäre verglühen.

Insgesamt 1,6 Millionen Euro an Investments und Förderungen stecken bereits in dem Unternehmen, die nächste Finanzierungsrunde ist für den Herbst geplant. Dann soll es um fünf Millionen Euro gehen, die den Betrieb für die nächsten Jahre finanzieren sollen. Der Münchner Berater Rainer Horn von Spacetec Partners erzählt, warum er in das Start-up investiert: "Das ist ein spannendes Unternehmen, das es geschafft hat, eine Software-Lösung zur Früherkennung von Waldbränden zu bauen - und in kürzester Zeit Kunden in mehreren Erdteilen dafür zu begeistern." Er hofft, dass Ororatech auch in die zeitliche Lücke stoßen kann, die das EU-Erdbeobachtungssystem Copernicus gelassen hat, weil es nicht rund um die Uhr Bilder liefere. Bis die kleinere Konstellation fliegen kann, sind etwa 20 Millionen Euro nötig, sagt Grübler und peilt 2025 dafür an.

Ororatech will sich allerdings nicht darauf beschränken, zum Welt-Feuermelder zu werden. Die Gründer hatte es sowieso zunächst gereizt, mit Wärmebildern aus dem All die Wettervorhersage zu verbessern. Eine weitere Facette der Einsatzmöglichkeiten zeigte sich ebenfalls im Lockdown: Per Wärmebild ist zu sehen, wann Stahlwerke wieder hochgefahren werden. "Wir können Produktionsschwankungen im Stahlmarkt tracken und haben dadurch einen Marktindikator", sagt Grübler, "da steckt eine Menge Wert dahinter". Potenzial sieht er auch in der Landwirtschaft oder bei der Temperaturkartierung von Städten. Gespräche gebe es zudem bezüglich der Verfolgung von Lieferketten und der illegalen Rodung für Palmöl-Plantagen.

"Wir wollen uns aber nicht als Satellitenfirma platzieren, die Anwendungsfelder sucht, sondern den Service liefern und die Daten generieren, die fehlen", sagt der Gründer. Zunächst geht es aber um Waldbrände, und dafür sind eigene Satelliten nötig. Dass erste Kunden vor allem aus Südamerika, Kanada und Australien kommen, hänge auch mit der Besiedlungsdichte zusammen, meint Grübler. "In Bayern gibt es durchschnittlich alle 400 Meter einen Wanderweg", sagt er. Brände würden also relativ schnell gemeldet. In NRW gebe es Türme, in Berlin-Brandenburg ein neues Kamerasystem. Trotzdem ist das Start-up auch hierzulande mit Behörden im Gespräch - zumal es in Bayern eine Flugzeugstaffel zur Brandbeobachtung gibt. Und mit der zunehmenden Trockenheit wegen des Klimawandels und der Zunahme des Borkenkäfers steige auch das Risiko. "Wir werden längerfristig ein immer größeres Waldbrandproblem bekommen", glaubt Grübler. Ororatech ist deshalb auch für andere Branchen interessant, gerade hat die Versicherung Axa einen Vertrag unterschrieben. Angesichts der Milliardenschäden, die etwa bei Buschbränden in Australien entstanden sind, ein logischer Schritt.

Die Gründer von Ororatech sind nicht die Einzigen, die Erkennungssysteme für Waldbrände bauen: Fünf bis zehn potenzielle Konstellationen kennt Grübler, Ororatech sei wohl am weitesten. Einen Nachteil hat Corona aber dann doch für die Brandmelder gehabt: Die TUM wollte per Ballon eine Kamera starten, um Fotos von den Grillplätzen an der Isar zu machen - dieses Projekt ist erst einmal auf den Herbst geschoben worden.

Der Gründerwettbewerb Gipfelstürmer ist ein Projekt des Wirtschaftsgipfels der Süddeutschen Zeitung. Er findet in diesem Jahr als hybride Veranstaltung statt, also sowohl virtuell als auch physisch. Der Gründerwettbewerb muss in diesem Jahr pausieren, denn ein Finale in Berlin wie in den vergangenen Jahren kann es wegen der Corona-Pandemie nicht geben. Aber die Berichterstattung über Gründer und ihre Ideen geht weiter. Alle Beiträge: www.sz-wirtschaftsgipfel.de/gipfelstuermer

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SZ vom 29.07.2020
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