Süddeutsche Zeitung

Raumfahrt:Erst zur ISS, dann zum Mond

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Die Nasa bereitet sich auf den ersten Astronautenflug mit Space-X vor und vergibt erste Aufträge für einen Lunar Lander.

Von Dieter Sürig, München

Es dürfte ein historischer Tag in der Raumfahrt werden, wenn am 27. Mai zum ersten Mal zwei Nasa-Astronauten mit einer Kapsel des privaten Raketenherstellers Space-X von Florida aus zur Raumstation ISS reisen. Traditionell sind die Besuchertribünen im Kennedy Space Center bei solchen Anlässen ausgebucht, und Menschenmassen säumen die nahe gelegenen Strände in Cocoa Beach, um den Start zu beobachten. Doch diesmal ruft die Nasa wegen des Coronavirus dazu auf, zu Hause zu bleiben. "Wir bitten die Leute, den Start von zu Hause aus zu verfolgen", sagte Nasa-Chef Jim Bridenstine am Freitag in einer Videokonferenz. Oberste Priorität habe die Sicherheit der Menschen.

Dass der Testflug für Bridenstine ein historischer ist, machte er deutlich, als er die Kapsel Crew Dragon von Space-X mit den früheren Raumschiffen Mercury, Gemini, Apollo und dem Space Shuttle verglich. "Es ist das fünfte Mal, dass Nasa-Astronauten mit einem nagelneuen Raumschiff starten", sagte er. Auch Space-X-President Gwynne Shotwell zeigte sich bewegt. "Ich bin ziemlich nervös. Ich werde etwas erleichtert sein, wenn sie an Bord der ISS sind und wieder schlafen können, wenn sie auf die Erde zurückgekehrt sind."

Bridenstine sagte, dass nun eine "neue Ära in der bemannten Raumfahrt" beginne. "Das Ziel der Nasa ist es, Kunde zu werden." Beispielsweise von Space-X. Gerade hat er die drei Firmen Blue Origin von Jeff Bezos, Dynetics und Space-X damit beauftragt, einen Mond-Lander zu entwickeln, der 2024 Astronauten zum Erdtrabanten befördern soll. "Space-X ist seit vielen Jahren ein großartiger Partner", sagte er. Womöglich wird die Firma Nasa-Astronauten irgendwann sogar bis zum Mond bringen. In den nächsten zehn Monaten will die Nasa den drei Firmen 967 Millionen Dollar für das Design eines Landers bezahlen, bevor dann ein Entwurf ausgewählt werden soll. Bridenstine sieht aber auch Möglichkeiten für Firmen, im Erdorbit Geld zu verdienen und sprach von einem "kommerziellen Marktplatz im Weltraum". Eines Tages werde es in der Erdumlaufbahn womöglich "ein Dutzend Raumstationen" für kommerzielle Zwecke geben, sagte er.

Bereits im August könnte eine zweite Crew Dragon starten

Nun geht es aber erst einmal zur ISS. An Bord der Kapsel sind die US-Astronauten Bob Behnken, 49, und Doug Hurley, 53. Beide gehören seit dem Jahr 2000 zum Astronautenkorps der Nasa, beide haben als Missionsspezialist respektive Pilot bereits zwei Shuttle-Flüge absolviert. Wie lange Behnken und Hurley auf der ISS bleiben, ist unklar. Zum einen sollen sie die dreiköpfige Crew unterstützen, andererseits soll die Kapsel nach der Rückkehr abschließenden Qualifikationstests unterzogen werden. Wenn alles klappt, soll bereits im August eine zweite Crew Dragon mit dann vier Astronauten zur ISS fliegen, womit der reguläre kommerzielle Crewtransport zur ISS beginnen würde. Im Zuge dieser Flüge, bei dem nach erfolgreichem Testflug auch eine Kapsel des Mitbewerbers Boeing eingesetzt wird, sollen mittelfristig auch wieder europäische Astronauten mitfliegen, darunter der Deutsche Matthias Maurer.

Bridenstine und Shotwell betonten übrigens auch, dass alle erdenklichen Schutzmaßnahmen verhindern sollen, dass Astronauten und damit die ISS mit dem Coronavirus infiziert werden. Schon vor Covid-19 habe es zudem eine obligatorische Quarantänezeit vor dem Start gegeben.

Mit dem geplanten Start der Crew Dragon endet eine neunjährige Ära, in der amerikanische Astronauten nur noch gemeinsam mit den Russen per Sojus-Kapsel zur ISS reisen konnten. Die Nasa musste nach eigenen Angaben pro Ticket zuletzt 80 Millionen Dollar zahlen, Startplatz war in Baikonur in der kasachischen Steppe. Grund war das Ende der Flüge mit dem Space Shuttle, das immer teurer geworden war. Die Nasa hatte bereits 2010 damit begonnen, Industriepartner zu suchen, die eine Raumkapsel für Astronautenflüge zur Raumstation entwickeln sollten. Sie investierte dafür insgesamt 8,36 Milliarden Dollar. Von acht Bewerbern blieben Boeing und Space-X übrig. Boeing muss allerdings noch einen Testflug mit seiner Kapsel Starliner absolvieren, bevor der Konzern ebenfalls Astronauten transportieren darf.

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Quelle:
SZ vom 02.05.2020
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