Süddeutsche Zeitung

Pfleiderer: Aufstand der Aktionäre:"Schämen Sie sich, Herr Overdiek"

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Frust, Unverständnis und Wut auf das Management - die Aktionäre der Pfleiderer AG sind aufgebracht. Bei der Hauptversammlung des akut von der Insolvenz bedrohten Holzverarbeiters hagelt es heftige Kritik, vor allem an Vorstandschef Overdiek. Denn der hat eine ordentliche Prämie kassiert und will das Unternehmen jetzt den Hedgefonds überlassen.

Uwe Ritzer

Sie fühle sich vor einer Entscheidung wie zwischen Pest und Cholera, sagt Daniela Bergdolt und erntet dafür heftigen Beifall. "Nein sagen kann ich nicht, ja sagen will ich nicht", sagt die Vertreterin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. So wie ihr geht es vielen Pfleiderer-Aktionären im Ballsaal eines großen Münchner Hotels. Feierstimmung herrscht hier allerdings ganz und gar nicht.

Die Pfleiderer-Aktionäre sollen sich an diesem Donnerstag faktisch selbst enteignen, um den Bau- und Holzzulieferer (1,5 Milliarden Euro Umsatz, etwa 5000 Mitarbeiter) zu retten und gleichzeitig den Weg für den Einstieg von Hedgefonds frei zu machen. Andernfalls droht Pfleiderer binnen weniger Tage die Insolvenz. Pfleiderer ist hoffnungslos überschuldet, das Eigenkapital ist futsch. An der Krise ist einzig und allein das Management schuld, sind sich vor allem viele wütende Kleinaktionäre einig. "Größenwahn und Fehleinkäufe" wirft Aktionärsvertreterin Bergdolt vor allem dem Vorstandschef Hans Overdiek unter großem Beifall vor.

Vor allem mit Zukäufen in den vergangenen Jahren hat sich das Unternehmen hoffnungslos übernommen. "Schämen Sie sich, Herr Overdiek, schämen Sie sich", schreit ein Zwischenrufer. Mehrere Aktionäre verlangen, Overdiek solle sofort zurücktreten. Für Empörung sorgt, dass der Manager 2010 offenbar 320.000 Euro Erfolgsprämie kassierte. "Sie reiten uns auf Null und stopfen sich die Taschen voll", schimpft ein Kleinaktionär.

Zuvor hatte der Vorstandschef um das Restrukturierungskonzept geworben. Das sieht im Kern so aus: Banken verzichten auf Kreditrückzahlungen, die Zeichner einer Hybridanleihe auf ihre Ansprüche. Hedgefonds garantieren frisches Geld. Alles jedoch nur, wenn sich die Aktionäre bei der Hauptversammlung faktisch selbst enteignen. Ob es dazu kommt, ist am Mittag fraglich; eine Dreiviertelmehrheit ist dafür erforderlich.

Selbstkritik übt Vorstandschef Overdiek allenfalls in homöopathischen Dosen. "Ich stehe zu meiner Verantwortung", sagt er zwar, und: "ich klebe nicht an meinem Stuhl." Aber das war auch schon alles. Bis 2008 sei doch alles gut gegangen, sagt Overdiek. Dann aber sei die Wirtschaftskrise gekommen und mit ihr "ein drastischer Preis- und Margenverfall." 2010 stiegen die Nettoverbindlichkeiten der Pfleiderer-Gruppe bei 960 Millionen Euro. Die mit den Banken vereinbarten Kreditbedingungen wurden gerissen; seit Monaten schrammt das Unternehmen am Abgrund entlang.

Ob die Rettung gelingt oder, wie einige Aktionäre verlangen, Pfleiderer in eine Planinsolvenz geht, hängt wesentlich vom Verhalten des mit gut 23 Prozent der Anteile größten Einzelaktionärs ab, dem Finanzinvestor OEP. Stimmt er der Selbstenteignung zu, verliert er 180 Millionen Euro. Verweigert er die Zustimmung, bricht das vorgelegte Sanierungskonzept zusammen wie ein Kartenhaus. Pest oder Cholera eben.

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