Süddeutsche Zeitung

Osram:"Langsam wochs' ma z'amm"

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Zuerst wollte der Osram-Vorstand nichts wissen von einer Übernahme durch den Chiphersteller AMS. Jetzt hat er seine Meinung geändert und sendet musikalische Grüße nach Österreich.

Von Thomas Fromm, Berlin

Es gab eine Zeit, da wollte der Münchner Lichtkonzern Osram auf gar keinen Fall von dem kleineren österreichischen Chip- und Sensorenunternehmen AMS übernommen werden. Osram-Chef Olaf Berlien erklärte entschieden, er werde das Übernahmeangebot des Unternehmens aus Premstätten in der Steiermark nicht annehmen und seine Osram-Aktien für sich behalten. Als Musikschleife vor einer Analystenkonferenz lief seinerzeit der passende Soundtrack dazu: "You can't always get what you want" von den Rolling Stones aus dem 1969er-Stones-Album "Let it bleed". Ihr kriegt uns nicht!

Neue Lage, neuer Sound: Wer sich Dienstagfrüh in den Pressecall von Osram einwählte, landete zunächst in einer Musikschleife, die wieder zum Tag passte. Es lief: "Langsam wochs' ma z'amm" des österreichischen Barden Wolfgang Ambros ("Wir san uns manchmal völlig fremd, doch froh, dass ma' uns ham"). Das bedeutete: Es ist so weit, Vorstand und Aufsichtsrat von Osram sind inzwischen von der 4,6 Milliarden-Offerte von AMS überzeugt.

Was hat sich verändert in den vergangenen Wochen? Man habe sich "nach intensiven Verhandlungen auf viele entscheidende Rahmenbedingungen für die Zukunft von Osram und unserer Mitarbeiter geeinigt", sagte Osram-Chef Berlien. Unter anderem sollen fusionsbedingte Kündigungen an deutschen Standorten bis Ende 2022 ausgeschlossen werden. Dass sämtliche Zusagen auch eingehalten werden, soll die frühere Siemens-Personalchefin Brigitte Ederer als "neutrale Schiedsrichterin" überwachen.

Nun haben die Aktionäre von Osram bis zum 5. Dezember Zeit, auf das Angebot von 41 Euro je Osram-Aktie einzugehen. Das ist kein Aufschlag seit dem ersten, gescheiterten Angebot von vor einigen Wochen. Allerdings haben die Österreicher nun die notwendige Annahmeschwelle auf 55 Prozent gesenkt - das macht ein Zustandekommen des Deals diesmal wahrscheinlicher. Berlien ist sich sicher: "Was wir jetzt erreicht haben, ist fast eine Fusion unter Gleichen." Was aus Unternehmens- und Arbeitnehmersicht immer besser ist, als einfach so geschluckt zu werden.

Die IG Metall, von Anfang an gegen einen Verkauf von Osram an AMS, lässt sich nicht überzeugen vom Osram-Vorstand. Sie befürchtet, dass der Schutz vor fusionsbedingten Kündigungen "nicht wirklich rechtssicher" sei. Ein weiterer Punkt, der die Kritiker von Anfang an umtreibt: AMS zahlt einen hohen Preis und häuft damit Milliardenschulden an, was wiederum den Druck auf Osram und die Arbeitsplätze erhöhen dürfte. "In Deutschland plant Osram, von bestehenden 5600 Arbeitsplätzen 800 Arbeitsplätze abzubauen, das ist jeder siebte Arbeitsplatz", schrieb die Gewerkschaft am Dienstag in einer Pressemitteilung. Gleichzeitig würden "wichtige Zukunftsinvestitionen wegfallen", der Bereich Innovation solle "drastisch verkleinert werden". Eine Zahl, die Osram-Chef Berlien nicht kommentierte. Allerdings: Das Unternehmen werde "weitere Anpassungen" vornehmen. Im Klartext: Ja, es wird hier noch etwas kommen.

Der Umsatz bricht ein, dazu kommen Millionenverluste. Das macht es jetzt nicht einfacher

"Mit dem sogenannten 'Effizienzprogramm' gefährdet der Osram-Vorstand die Zukunft von Osram", kritisierte IG -Metall-Mann und Osram-Aufsichtsrat Klaus Abel einen möglicherweise anstehenden Stellenabbau. "Die Beschäftigten von Osram werden hierdurch neben dem Geschacher am Kapitalmarkt durch den zweiten Übernahmeversuch von AMS zusätzlich verunsichert."

Kehrtwende zwar beim Osram-Management, aber die Arbeitnehmervertreter bleiben auf Oppositionskurs, und das macht die Situation bei Osram nicht einfacher. Die IG Metall rief die 5600 Osram-Beschäftigten in Deutschland nun zu Protesten auf. Motto: "Licht an statt Licht aus".

Dabei geht es bei Osram nicht nur um die große Zukunftsfrage. Der Konzern bekommt die schwächere Nachfrage aus der Autoindustrie gerade voll ab. Der Umsatz brach zwischen Oktober 2018 und September 2019 ein, dazu kommt ein Verlust von 343 Millionen Euro. Zusätzlich gehen die Arbeitnehmer auch juristisch gegen den zweiten Übernahmeversuch von AMS vor.

Selbst wenn es AMS also schaffen sollte, bis zum nächsten Frühjahr Osram zu übernehmen: Welcher Sound dann genau zu Telefonkonferenzen gespielt wird, ist noch längst nicht abgemacht.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2019
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