Süddeutsche Zeitung

Osram:Haie vor dem Hochhaus

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Gewinnwarnungen, fallende Aktienkurse und jetzt Übernahmegespräche mit Finanzinvestoren: Am Tag der Hauptversammlung muss Osram-Chef Berlien einiges erklären. Zu einem Thema schweigt er.

Von Thomas Fromm, München

Mit diesen Fragen musste er rechnen. Schließlich hatte Osram-Chef Olaf Berlien erst vor ein paar Tagen bekanntgegeben, dass man mit den beiden US-Finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle über einen Verkauf seines Unternehmens spricht. Und die Aktionäre hatten viele Fragen bei der Hauptversammlung am Dienstag in München. Berlien aber will keine Fragen. Nicht dazu, nicht an diesem Tag. Er sagt: "Eine weitere öffentliche Diskussion dieses Themas wäre für die Verhandlungsposition von Osram nachteilig. Bitte haben Sie daher Verständnis, dass wir uns heute nicht eingehender zu den laufenden Gesprächen äußern können."

Mit dem Verständnis der Osram-Aktionäre ist das allerdings so eine Sache. Zuerst hatte ihr Unternehmen ganze Geschäftsbereiche wie das traditionelle Glühlampengeschäft an einen chinesischen Investor verkauft, dann schrumpfte der Umsatz, es kamen zwei Gewinnwarnungen, rote Zahlen, der Aktienkurs schrumpfte immer mehr, immer wieder Jobstreichungen - und jetzt auch noch Verkaufsgespräche mit Finanzinvestoren. Immerhin sagt der Osram-Chef noch, dass es um "vertiefte Gespräche" mit den Investoren gehe. Mehr nicht.

Wem gehört so eine Firma eigentlich, wenn nicht den Aktionären?

"Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass Sie hier schweigen", sagt Aktionärsvertreterin Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Denn hier sitzen die Eigentümer des Unternehmens." Es geht bei dieser Hauptversammlung um grundsätzliche Dinge. Wem gehört so eine Firma eigentlich, wenn nicht den Aktionären? Warum kann man nicht mehr über die Verkaufsgespräche erfahren? Was die Aktionäre umtreibt, ist die Frage: Wenn die Zukunft von Osram unsicher ist, wie regeln dann die Topmanager eigentlich ihre Zukunft?

Vorstände haben für solche Fälle, in denen Unternehmen verkauft werden, in der Regel eine weiche Auffanglösung. Sie heißt in der Wirtschaft "Change-of-Control-Klausel". Das bedeutet, dass Topmanager auch bei einem Verkauf an neue Eigentümer mit Abfindungen in der Höhe ganzer Jahresvergütungen rechnen dürfen, je nach restlicher Vertragslaufzeit. Berliens Vertrag zum Beispiel wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2018 bis Ende 2022 verlängert. Selbst wenn er das Unternehmen bis zum nächsten Jahr verkaufen und dann vielleicht gehen sollte, wäre er wohl noch zwei Jahre lang ganz gut versorgt. Aktionäre aber fragen in solchen Fällen: Was ist mit uns, wenn dieses Unternehmen mit seinem Umsatz von vier Milliarden Euro verkauft wird? "Das ist nicht im Interesse von Kleinaktionären", sagt ein Kleinaktionär.

Die Stimmung geht gegen die Konzernspitze. Osram-Großaktionär DWS will bei der Hauptversammlung weder Vorstands- noch Aufsichtsratschef entlasten. Hendrik Schmidt von der Fondsgesellschaft der Deutschen Bank versteht wie viele andere nicht, was Berlien eigentlich will. Es gab Momente, da sagte der Chef, dass er Osram nicht verkaufen wolle und nur einen neuen Ankeraktionär suche. Und dann die Mitteilung von der vergangenen Woche, in der die Verhandlungen mit Bain und Carlyle über einen Verkauf von bis zu 100 Prozent der Aktien bestätigt wurden.

"Ja, was denn nun?", fragt Schmidt. Am Ende werden beide zwar entlastet - Berlien aber mit nur knapp 74 Prozent der Stimmen - deutlich weniger als sonst. Ein kleiner Gruß von den Aktionären.

Das mehr als 100 Jahre lang sehr stabile Osram-Geschäft steckt seit einigen Jahren in einem massiven Umbruch, man sucht händeringend nach neuen Geschäftsmodellen, und in der Zwischenzeit geht der Aktienkurs nach unten. Es kommt in solchen Fällen irgendwann die Zeit für Investoren, einzusteigen. Ihr Ziel meist: Sie wollen den Konzern umbauen, Jobs streichen und weiterverkaufen. Oder, wenn das nicht funktioniert: Zerschlagen und die einzelnen Teile verkaufen. Osram spricht derzeit mit den US-Investoren Bain und Carlyle, aber auch chinesische Interessenten sollen sich den Konzern aus München schon genauer angeschaut haben.

"Die Euphorieblase bei Osram ist geplatzt", sagt die Aktionärsvertreterin Bergdolt. "Ich kann da schon wieder Haie um das Osram-Hochhaus herumschwimmen sehen." Haie vor dem Büro, mit diesem Bild kann hier jeder etwas anfangen.

Berlien hält eine Rede, räumt einige Fehler ein. Vor allem aber sagt er, dass sein Unternehmen "im Kern gesund" ist, sich gerade von einem Licht- zu einem Photonic-Unternehmen wandelt, er spricht von den Zukunftsgeschäften, von Sensoren für autonom fahrende Autos, von moderner Landwirtschaft (er nennt das "Smart Farming"), er erklärt, wie Osram mit digital gesteuerten LED-Lichtern Pflanzen in großen Hallen beleuchtet. Und er erzählt, wie er bei all dem gerade dabei ist, Kosten zu drücken. "So haben wir auch unser Sparprogramm nochmals verschärft. Wir reduzieren damit unsere Kosten in den kommenden 18 Monaten zwischen 160 und 180 Millionen Euro." Im Grunde also hält der Osram-Chef eine Rede, die nicht nur an die anwesenden Aktionäre bei der Hauptversammlung gerichtet ist, sondern auch an all die, die erst noch Aktionäre werden könnten. Zum Beispiel die US-Finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle. Die Botschaft ist klar: Ihr könnt uns kaufen. Wir sind gut.

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SZ vom 20.02.2019
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