Süddeutsche Zeitung

Osram:Etappensieg

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Seit Monaten streiten Osram und der ehemalige Mutterkonzern und Noch-Großaktionär Siemens über den richtigen Weg aus der Krise. Jetzt setzt sich Olaf Berlien, der Chef der Lichtfirma, vorläufig durch.

Von Caspar Busse, München

So etwas gibt es in der deutschen Wirtschaft nicht oft: Ein Unternehmen streitet mit dem Großaktionär in aller Öffentlichkeit über die richtige Strategie. Es wird mit harten Bandagen gekämpft, ohne Aussicht auf einen Kompromiss.

Etwa so ist die Lage seit Monaten bei der Münchner Lichtfirma Osram. Siemens, einst die Muttergesellschaft und heute noch mit gut 17 Prozent an Osram beteiligt, ist mit dem Kurs von Osram-Chef Olaf Berlien, 53, nicht zufrieden. Mitte Februar kam es zum Eklat: Auf der Hauptversammlung von Osram verweigerte der Abgesandte von Siemens-Chef Joe Kaeser Berlien die Entlastung. Die Vorwürfe waren heftig: Berlien lenke Osram nicht "mit der notwendigen Vorsicht und Umsicht" und vernichte Kapital. Der Osram-Chef, der dann mit Hilfe der übrigen Aktionäre doch noch entlastet wurde, hatte zuvor angekündigt, nach der Trennung vom traditionellen Lichtgeschäft rund eine Milliarde Euro in eine neue LED-Fabrik in Malaysia zu investieren. Zu riskant, meint Siemens dazu.

Das Vertrauen zwischen Osram und dem Großaktionär ist seitdem zerstört. Das Klima zwischen den beiden Münchner Firmen als eisig zu beschreiben, wäre wohl beschönigend. Manche bezweifelten deshalb, dass Berlien an der Osram-Spitze eine Zukunft hat. Der gebürtige Berliner aber hält an seinem Kurs fest.

Nun kann er zumindest einen wichtigen Etappensieg verbuchen. Finanzvorstand Klaus Patzak werde das Unternehmen demnächst verlassen, teilte Osram mit. Er bleibe nur noch im Amt, bis ein Nachfolger gefunden sei, heißt es. Als Grund werden offen "unterschiedliche Auffassungen über die strategische Richtung des Unternehmens" genannt. In der Tat war Patzak der wichtigste Widersacher Berliens innerhalb von Osram. Der 50-jährige Finanzmann hatte 1993 bei Siemens angeheuert und war lange Zeit ein enger Mitarbeiter von Joe Kaeser, als der noch Finanzvorstand bei Siemens war. Noch heute sollen die Drähte zwischen den beiden kurz sein.

Nun also hat der Osram-Aufsichtsrat unter der Leitung des ehemaligen Infineon-Chefs Peter Bauer den Vertrag mit Patzak, der noch bis 2021 gelaufen wäre, aufgelöst. Über die Höhe der Abfindungszahlung wurde nichts bekannt. Auch Bauer war einst übrigens vor allem unter Vermittlung von Kaeser an die Spitze des Aufsichtsgremiums gekommen. Gleichzeitig wurde ein neuer Vorstand für Technologie ernannt. Stefan Kampmann, 52, kommt vom Autozulieferer Bosch. Osram will sich künftig auf LED-Licht sowie auch Spezialanwendungen, besonders für die Autoindustrie konzentrieren.

Der langjährige Thyssen-Krupp-Manager Berlien ist seit Anfang 2015 im Amt. Ob er sich damit endgültig gegen seinen ungeliebten Großaktionär durchgesetzt hat, ist freilich offen. Die Zweifel von Siemens bleiben. Der Osram-Aktienkurs gab am Dienstag nach Bekanntgabe der Personalie nach. Immerhin notiert die Aktie aber inzwischen bei etwa 45 Euro. Im vergangenen November war der Kurs nach der Verkündung der neuen Strategie von 55 Euro in die Nähe von 35 Euro gefallen. Alleine Siemens büßte dadurch sehr viel Geld ein. Der Strategieschwenk sei "schlecht kommuniziert" worden, kritisierte damals Siemens. Für den Kontakt mit den Kapitalmärkten war unter anderem Finanzvorstand Patzak zuständig, der intern gegen den neuen Kurs gewesen sein soll.

Osram ist mehr als hundert Jahre alt und erwirtschaftete zuletzt mit 33 000 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 5,6 Milliarden Euro. Siemens trennte sich im Sommer 2013 von der Tochterfirma und hält seitdem weniger als 20 Prozent der Anteile. Osram wurde mit voller Wucht von einer grundlegenden Änderung des Marktes getroffen. Die traditionelle Glühlampe, jahrzehntelang ein sehr einträgliches Geschäft für die drei großen Anbieter Osram, Philips und General Electric, verlor plötzlich an Bedeutung. Zum einen hatte etwa die EU-Kommission stromverbrauchende Glühlampen schrittweise verboten, zum anderen gibt es neue Technologien, unter anderem stromsparende LED-Lampen, die mit Halbleitertechnologie arbeiten. Osram musste viele tausende Jobs abbauen und auch Werke schließen. Gleichzeitig wurde die Konkurrenz durch neue Anbieter aus Asien immer größer.

Berlien hatte sich nun dazu entschieden, den traditionellen Lichtbereich auszugliedern und diesen 2016 abzustoßen. Gleichzeitig will er zwei Milliarden Euro in neue Technologien investieren und in die Massenproduktion von LED gehen. Damit aber ist Siemens nicht einverstanden. Osram könne hier gegen die Wettbewerber aus Asien nicht bestehen, heißt es.

Erst am Montag hatte Osram zum zweiten Mal seine Ergebnisprognose für 2015/16 angehoben. Die Geschäfte liefen besonders gut. Der Trend sei nachhaltig, eine erneute Revision nach unten könne sich Osram nämlich nicht leisten, sagten Insider. 2015 hatte Patzak noch einen verhaltenen Ausblick gegeben und damit für zusätzlich schlechte Stimmung gesorgt.

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SZ vom 20.04.2016
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