Süddeutsche Zeitung

Obamas Kritik an Euro-Rettungskurs:Regierungsparteien verbitten sich Einmischung der USA

Lesezeit: 2 min

Streit auf höchster Ebene: Schwarz-gelbe Finanzpolitiker ärgern sich über Obamas Rat, die Euro-Krise mit Konjunkturprogrammen zu überwinden. Kanzlerin Merkel wirbt für einen schnellen Schuldenabbau, ein FDP-Politiker poltert, die USA seien das "Griechenland dieser Welt".

Angela Merkel streichelte mit staunender Miene ein futuristisches Konzeptfahrzeug von Mercedes, sie saß lächelnd in einem Flügeltürer von Ford und würdigte mit anerkennendem Blick den neuesten Kleinwagen von VW. Nur in ihrer Rede, da war von Faszination und Leichtigkeit plötzlich nicht mehr viel zu erkennen.

Die Euro-Krise verfolgte die Bundeskanzlerin bis auf die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt. Inmitten glänzender Karossen erteilte die Kanzlerin neuen Konjunkturprogrammen eine Absage. Andere Politiker der schwarz-gelben Bundesregierung wurden noch deutlicher - und verbaten sich Ratschläge aus den USA.

Der schnelle Schuldenabbau habe Priorität, sagte Merkel in ihrer Eröffnungsrede in Frankfurt. "Aber wir betreiben die Konsolidierung keineswegs undifferenziert. Wir wollen sparen und gleichzeitig Wachstum ermöglichen."

"Wir brauchen keine Strohfeuerprogramme"

CDU/CSU-Fraktionsvize Michael Meister äußerte sich mit Blick auf die neuen Pläne der US-Regierung sehr viel deutlicher: "Wir brauchen keine konjunkturellen Strohfeuerprogramme, die die Wirtschaft kurzfristig anfachen", sagte Meister. Angesichts der immer noch guten Wachstumszahlen der deutschen Wirtschaft sei die Dringlichkeit von Konjunkturprogrammen im laufenden und wahrscheinlich auch im kommenden Jahr "nicht zwingend zu erkennen", sagte der Finanzexperte der Union.

Meister schickte eine Spitze in Richtung Amerika hinterher: Er glaube nicht, "dass man ein Schuldenproblem dauerhaft durch die Ansage, neue Schulden zu machen, lösen kann. Auch die USA haben kein Konjunkturproblem, sondern möglicherweise ein paar Strukturprobleme, die angegangen werden müssen", sagte Meister.

Harsche Kritik an den amerikanischen Forderungen kam auch von dem liberalen Euro-Kritiker Frank Schäffler: "Das Griechenland dieser Welt sind die USA", sagte der FDP-Politiker der Nachrichtenagentur Reuters.

Die USA seien "über beide Ohren verschuldet", die Ratschläge aus Washington "natürlich ein Ablenkungsmanöver", kritisierte Schäffler. "Die amerikanische Notenbank druckt Geld in unvorstellbarer Weise und verbreitet diese Inflation über diese Welt." Deshalb liege der Kern der Finanzkrise in den USA.

Milliardenprogramm gegen Horrorzahlen

Eingangs der Woche hatte US-Präsident Barack Obama von den Ländern der Euro-Zone mehr Einsatz gefordert. Europa trage eine Mitschuld am desaströsen Zustand der Weltwirtschaft, klagte er. Die Europäer unternähmen zwar Schritte, um die Schuldenkrise zu mildern - "aber nicht, um sie zu lösen". Griechenland sei derzeit das wohl größte Problem.

Die US-Regierung muss befürchten, dass die ohnehin schon schwache amerikanische Wirtschaft unter der Krise in Europa leidet. Die Zahlen geben Obama Anlass zur Sorge: Die Arbeitslosenquote verharrt bei 9,1 Prozent, die Armutsquote ist auf Rekordniveau, die Erwartungen für das Wirtschaftswachstum wurden auf 1,7 Prozent gesenkt.

Der Präsident reagierte mit einem milliardenschweren Konjunkturprogramm, dessen Ausmaße alle europäischen Rettungsmaßnahmen übertrifft. Nun erwartet Obama von den Regierungen diesseits des Atlantiks offenbar ähnliche Schritte. Obamas Finanzminister Timothy Geithner wird am Freitag bei einem informellen Treffen der EU-Finanzminister im polnischen Breslau teilnehmen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1144312
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/rtr/dpa/dapd/mikö
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.