Süddeutsche Zeitung

Neue Studie:Investoren aus dem Ausland schaden nicht - sondern retten

Lesezeit: 3 min

Von Alexander Hagelüken

Die Mitarbeiter von ZF Friedrichshafen wehrten sich. "Keine Experimente" stand auf den Transparenten, mit denen sie 2013 gegen den Verkauf der Gummi- und Plastiksparte des Autozulieferers nach China demonstrierten. Wenn Inder, Russen, Brasilianer oder Chinesen bei deutschen Firmen einsteigen, lösen sie meist Ängste aus - ob beim Betonpumpenproduzenten Putzmeister, dem Nähmaschinenhersteller Dürkopp Adler oder der Windanlagenfirma Repower. "Das Vorurteil ist, dass die Investoren nur schnell Wissen abziehen und dann den Laden dichtmachen", sagt der Wirtschaftsgeograf Martin Franz. "Und dass sie deutsche Firmen fernsteuern und es Betriebsräten schwer machen."

Professor Franz hat mit Kollegen 280 Betriebe untersucht, bei denen ausländische Investoren aus den vier sogenannten Bric-Staaten einstiegen. Das überraschende Fazit: Die Ängste sind unbegründet, die Vorurteile nur - Vorurteile. "Ausländische Investoren bedeuten oft eine Zukunftsperspektive oder sogar eine Rettung der Firma vor der Insolvenz", sagt Franz über die Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Manches Engagement ist erst wenige Jahre alt, so dass man das Ergebnis abwarten muss. Weil die Untersuchung ausgerechnet von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde, steht sie aber kaum in Verdacht, kritiklos mit den Arbeitgebern umzugehen.

Firmenkäufer aus weit entfernten Ländern sind ein Trend. Nach einer Studie des Forschungsinstituts Merics wird sich allein der Wert der chinesischen Direktinvestitionen im Ausland bis 2020 fast verdreifachen, auf zwei Billionen Dollar. Nimmt man Gründungen hinzu, beschäftigen die ausländischen Investoren laut Franz' Studie schon mindestens 42 000 Mitarbeiter in Deutschland. Weil für manche Übernahmen oder Anteilskäufe keine genauen Zahlen vorliegen, sind es wahrscheinlich deutlich mehr Beschäftigte.

Investoren nehmen teils mehr Geld in die Hand als ein deutscher Eigentümer

Bemerkenswert ist, dass mehr als die Hälfte der deutschen Firmen in Schwierigkeiten steckten, von schlechten Aussichten bis zum Bankrott - und ihnen die Investoren in den meisten der genauer untersuchten 130 Fälle eine Zukunft bescherten. "Uns sind keine Fälle bekannt, in denen Firmen nach der Übernahme insolvent wurden", sagt Professor Franz.

Nach seinen Erkenntnissen nehmen die Investoren oft richtig Geld in die Hand, womöglich mehr, als ein deutscher Eigentümer oder Aufkäufer es tun würde. Denn es geht ihnen um den Sprung auf den deutschen Markt (und vielleicht den Rest Europas). Sie schätzen die Kenntnisse der deutschen Mitarbeiter und ihre Fähigkeit, Qualität zu produzieren, die sie selber oft noch nicht hinkriegen. Franz: "Die Investoren sind auf ihrem Heimatmarkt stark, können mit ihren Produkten in Deutschland aber nicht landen" - so wie die chinesische Firma Sany hierzulande keine einzige Autobetonpumpe losgeschlagen habe, bis sie 2012 den schwäbischen Hersteller Putzmeister kaufte.

Vorurteil eins: Nur schnell Wissen absaugen

Weil die exotischen Investoren auf dem deutschen Markt landen wollten, handeln sie laut der Studie meist langfristig. Damit würde sich Vorurteil eins als falsch erweisen: Von wegen schnell Wissen absaugen und die deutsche Firma als leere Hülle zurücklassen. "Das Know-how der deutschen Firmen ist zwar ein wichtiger Grund für die Investition, die Angst vor einem schnellen Transfer aber zumeist unbegründet", schreiben Franz und seine Ko-Autoren Sebastian Henn und Jörg Weingarten.

Vorurteil zwei: Dem Management ins Tagesgeschäft funken

Demnach verzichten die Investoren entgegen Vorurteil zwei auch darauf, dem deutschen Management ins Tagesgeschäft zu funken und deren Strategie über den Haufen zu werfen.

Vorurteil drei: Kein Respekt von Arbeitnehmerrechten

Anders als befürchtet, respektieren die Investoren Arbeitnehmerrechte wie die Mitbestimmung, die sie aus ihrer Heimat oft nicht kennen. In mehreren Fällen schlossen sie langfristige Beschäftigungsgarantien mit Gewerkschaftern ab. Und ein indischer Investor redet sogar davon, in seiner Heimat die Mitbestimmung einzuführen, weil sie klassische Hierarchien abschleife und so zu mehr Kreativität führe. So weit geht es bei den meisten Investoren nicht, sie sind gegenüber Mitbestimmung eher indifferent, aber immerhin: "Es wird als etwas akzeptiert, das in Deutschland dazugehört", resümiert Martin Franz. So viel zu Vorurteil drei.

Eine Entwicklung wie beim Baumaschinenhersteller Putzmeister hält er für ganz typisch. Da gab es drei europäische Produzenten, zwei in Deutschland, einen in Italien, alle technisch toll und halbwegs solide, aber für den Weltmarkt etwas klein. Die Chinesen schnappten sich erst den schwächsten der drei, die italienische Cifa, die dann für die deutschen Hersteller plötzlich gefährlich geworden sei. Heute sind alle drei europäischen Produzenten in chinesischer Hand - und sie existieren noch alle drei.

Aber gibt es keine Fälle, in denen ausländische Investoren einfach nur Wissen absaugen oder deutsche Arbeitnehmerrechte missachten? Doch, die gibt es, sagt Franz. Meist bei kleineren Firmen. "Aber es sind eben wirklich nur Einzelfälle."

Die Mitarbeiter der Gummisparte von ZF, die einst 40 000 Unterschriften gegen einen Verkauf an die Chinesen sammelten, bekamen von den neuen Eignern bald was zu hören: Die Firma TMT gab ihnen eine Beschäftigungsgarantie bis 2018.

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