Süddeutsche Zeitung

Neue Billigtöchter der Lufthansa:Nur ein richtiger Anfang

Lesezeit: 3 min

Lufthansa-Chef Spohr greift härter durch, als ihm viele zugetraut hatten. Die neue Liebe zu Billigairlines stößt auf Widerstand unter den Piloten - doch die Strategie ist richtig. Das eigentliche Problem ist damit jedoch nicht gelöst.

Von Jens Flottau

Als Carsten Spohr vor einem halben Jahr seinen neuen Posten als Lufthansa-Chef antrat, stand er unter Kuschel-Verdacht. Spohr, so die Theorie, sei ja seit 20 Jahren bei Lufthansa und daher mit so vielen Leuten so gut vernetzt, dass er nicht den Blick für die nötigen Einschnitte habe und diese im Zweifel auch gar nicht durchsetzen könne, weil ihm dafür die Härte fehle. Deswegen sei es bedauerlich, dass sein Vorgänger Christoph Franz gegangen sei, der nicht gerade zu Sentimentalitäten neigte, und danach kein weiterer Externer geholt worden sei, um den Laden umzukrempeln.

So kann man sich täuschen. Denn Spohr ist bei seinem Versuch, die Lufthansa zu reformieren, weiter gegangen als gedacht, er hat den Kurs verschärft. Im Vergleich zu dem, was nun auf der Agenda steht, ist das vorangegangene Sanierungsprogramm Score ein Reförmchen. Vorausgesetzt, der neue Chef bleibt bei seiner Linie.

Die Lufthansa muss billiger fliegen

Der Aufsichtsrat der größten deutschen Fluggesellschaft wird an diesem Mittwoch seine Pläne absegnen, neue Billigtöchter zu gründen. Damit entsteht innerhalb des Konzerns neben dem traditionellen Angebot an Flugverbindungen ein zweites Geschäft, das mit niedrigeren Kosten operiert. So will die Lufthansa den Wettbewerb mit den Billigfluggesellschaften und den Airlines vom Persischen Golf aufnehmen, die längst zur neuen Referenzgröße geworden sind.

Wie hart Spohr tatsächlich vorgeht, lässt sich an einem Beispiel illustrieren: 2004 hatten sich die Gewerkschaft und das Unternehmen darauf geeinigt, dass künftig Germanwings für alles, was mit Billigflug zu tun hat, im Konzern zuständig ist. Während die Pilotengewerkschaft VC davon ausgeht, dass der Deal immer noch gilt, hat Spohr ihn einseitig aufgekündigt. Sein Argument: Die Konkurrenzlage hat sich so drastisch verändert, dass die alte Strategie nicht mehr zu halten ist, zumal die Kosten bei Germanwings längst viel zu hoch und nicht mehr weit vom Lufthansa-Niveau entfernt sind.

Die Aufkündigung ist in der Tat ein unfreundlicher Akt, aber sie ist trotzdem nötig. Und es ist leider die bittere Realität, dass die aktuellen Konflikte um die neue Billigsparte Wings und die Übergangsversorgung, die Piloten den Ruhestand von 55 Jahren an ermöglicht, nur der Anfang sind. Viel mehr wird folgen müssen.

Denn was Lufthansa mit Wings vorhat, löst (noch) nicht das eigentliche Problem. Wenn alles gut läuft, dann baut Lufthansa eine Billigsparte mit rund 100 Flugzeugen auf, die auf der Kurz- und Langstrecke eine erträgliche Marge erwirtschaftet. Doch damit sind die Stückkosten im Kerngeschäft unter der Lufthansa-Marke, in dem knapp 400 Flugzeuge eingesetzt werden, um keinen Cent gesunken. Wenn die alte Lufthansa nicht in den kommenden Jahren langsam schrumpfen und weiter an Bedeutung verlieren soll, dann muss sich noch viel ändern.

Die Piloten wissen: Das derzeitige Geplänkel ist nur der Anfang

Dennoch ist aus Spohrs Sicht Wings der richtige Anfang. Und zwar gar nicht einmal so sehr, weil Lufthansa eine plötzliche Liebe zum Billigsegment entdeckt hat. Sondern weil er mit Wings eine interne Konkurrenz zum klassischen Geschäftsmodell aufbaut, die künftig als Maßstab dienen wird. Zwar gilt derzeit die Sprachregelung, dass die neuen Wings-Gesellschaften keine alten Lufthansa-Strecken übernehmen werden. Aber wie lange soll das wirklich gelten, wenn Wings funktioniert und Lufthansa im bisherigen Fluggeschäft weiterhin kaum Geld verdient?

Künftig hat Spohr die Wahl: Er kann Wings weiter wachsen lassen und Lufthansa nicht. Oder aber er schafft es, auch im Kerngeschäft die Kosten zu drücken, dann gibt es auch dafür wieder bessere Perspektiven. Genau deswegen lehnt die Vereinigung Cockpit das Konzept so vehement ab. Sie weiß, das Geplänkel um die Übergangsversorgung ist nur der Anfang.

Um wie viel? Selbst auf der Langstrecke produziert Lufthansa etwa 20 Prozent teurer als die Konkurrenz. Die Lücke wirkt groß, aber mit gutem Willen auf allen Seiten ist sie zu schließen. Denn sie bedeutet nicht, dass künftig alle auf 20 Prozent ihres Gehalts verzichten müssen. Aber lieb gewonnene Privilegien wie die Übergangsversorgung von 55 an sind nicht mehr drin. Und die Arbeitsbedingungen für Piloten und andere sind bei Lufthansa immer noch so komfortabel, dass mit ein wenig mehr Arbeit für das gleiche Geld schon viel erreicht wäre.

Die Piloten beklagen oft (wie Lufthansa), dass Airlines vom Golf von den guten Rahmenbedingungen am Ort profitieren. Das stimmt. Aber weder sie noch irgendwer sonst wird das ändern können. Auch Spohr hat sich seine Konkurrenz nicht ausgesucht.

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Quelle:
SZ vom 03.12.2014
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